EU-Agrarpolitik: Notwendige Therapie nicht verschieben!

Die energieintensive Nutzung ehemaliger Moor-Standorte verursacht 28 Prozent der landwirtschaftlichen Treibhausgase.

© Gunther Willinger

15 Verbände fordern Konsequenzen jetzt. Bundesregierung muss Blockade beenden

Presseinformation vom 13. Oktober 2008

Radolfzell/Berlin. Ein breites Bündnis von 15 Organisationen aus Landwirtschaft, Naturschutz, Tierschutz, Entwicklungspolitik und Gewerkschaften hat heute in Berlin den konsequenten Umbau der EU-Agrarpolitik gefordert. In einem gemeinsamen Positionspapier legen sie dazu konkrete Vorschläge vor. Ihr Ziel ist es, mit den jährlich über 55 Milliarden Euro zur Verfügung stehenden EU-Agrargeldern gezielt solche Leistungen der Landwirtschaft zu honorieren, die von der gesamten Gesellschaft seit langem eingefordert, jedoch über die Lebensmittelpreise nicht entgolten werden.

Vertreter der Verbände riefen die Bundesregierung und die Bundesländer dazu auf, ihre Blockade gegen diesen Umbau zu beenden und die Forderungen aktiv zu unterstützen. Prof. Dr. Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender, sagte in Berlin: „Die EU-Kommission will einen kleinen Teil der Direktzahlungen für Klimaschutz, Wasserschutz, Biologische Vielfalt und Erneuerbare Energien umwidmen. Ihre Vorschläge dazu bleiben hinter den Notwendigkeiten zwar zurück, führen aber immerhin zu einer leistungsgerechteren Verteilung der Subventionen als bisher. Indem die Bundesregierung diese Umverteilung ablehnt, straft sie Bauern, die aktiv Klima- und Artenschutz betreiben, und begünstigt weiterhin pauschal Großempfänger von Subventionen.“

Am Beispiel des Klimaschutzes erläuterte Prof. Dr. Hartmut Vogtmann, Präsident der EuroNatur Stiftung, die Notwendigkeit des Umsteuerns: „Dass die Landwirtschaft heute zu den größten Emittenten von klimaschädlichen Gasen zählt, geht auf die heutige Form der Landwirtschaft zurück. Allein die energie-intensive Nutzung ehemaliger Moor-Standorte verursacht 28 % der landwirtschaftlichen Treibhausgabe. Um das zu korrigieren, braucht es klare Vorgaben und Anreize, die der Markt nicht gibt. In den Agrarumwelt-Programmen fehlt dafür das Geld, weil sich bisher die alten Profiteure der Zahlungen durchsetzen konnten und ein Umschichten der Mittel verhindert haben.“

„Die Ablehnung der Vorschläge der EU-Kommission zu dieser Umwidmung von Geldern schadet der Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betrieben“, so Bioland-Präsident Thomas Dosch. „Es muss allen klar sein, dass die Gelder der Agrarpolitik eine gute Begründung brauchen, sonst verlieren sie die Akzeptanz der Steuerzahler. Zudem ist die Landwirtschaft auf Dauer auch selbst Leidtragende von Klimawandel, mangelnder Wasserversorgung und Verlust der Artenvielfalt. Auch deshalb ist es wichtig, die anstehende Therapie der Agrarpolitik nicht als Angriff auf Besitzstände, sondern Anreiz und Begleitung des notwendigen Wandels zu begreifen.“

Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), warnte vor negativen Folgen einer Milchpolitik, „die allein den Interessen der exportorientierten Milchindustrie nach billiger Milch folgt und die Milchquoten ohne Rücksicht auf die tatsächliche Marktentwicklung noch weiter erhöht. Die EU-Kommission will die erwarteten Übermengen mit Exportsubventionen in andere Kontinente drücken. Dieses Dumping zerstört hier wie in Entwicklungsländern bäuerliche Existenzen. Bei den Direktzahlungen muss eine wirksame und differenzierte Staffelung kommen. Denn die heutige Bemessung der Direktzahlungen nach der Fläche benachteiligt die bäuerlich-ökologische Landwirtschaft, die viele qualifizierte Arbeitsplätze im ländlichen Raum bietet. Diese Wettbewerbsverzerrung muss beendet werden.“

Die Vertreter der Verbände forderten die Öffentlichkeit auf, das Handeln der Bundesregierung aufmerksam zu beobachten: „Agrarpolitik betrifft uns alle, als Bauern, Konsumenten und Steuerzahler. Wir müssen sie aus den Brüsseler Hinterzimmern ins Licht der Öffentlichkeit rücken.“

Zum Positionspapier der Verbände


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