EU-Agrarreform: Erste Schritte in die richtige Richtung

Abwechslungsreiche Landschaft mit Hügeln, Wiesen, Hecken und Wäldern

Wertvolle Biotope: Hecken bieten Vögeln, Insekten und einer Vielzahl an Kleintieren Lebensraum.

© Günter M. Künkele

Der Bund Naturschutz Bayern und EuroNatur verteidigen die Vorschläge zur Agrarreform gegen Angriffe des Bauernverbandes

Gemeinsame Presseinformation von EuroNatur und dem Bund Naturschutz Bayern vom 17. November 2011 


Nürnberg/Radolfzell: Der Bund Naturschutz (BN) und die Naturschutzstiftung EuroNatur haben die Vorschläge der EU-Kommission zur Reform der Europäischen Agrarpolitik als „einen kleinen, aber wichtigen Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet und gegen ungerechtfertigte Kritik seitens der Agrarindustrie und des Bauernverbandes in Schutz genommen. „Die EU-Kommission hat endlich verstanden, dass die Agrarpolitik nicht länger eine Klientelpolitik bleiben darf, die vornehmlich großen Betrieben zugute kommt“, hob der BN-Vorsitzende Hubert Weiger hervor. „Das Ziel von Agrarkommissar Dacian Ciolos, die europäische Agrarpolitik grüner und gerechter zu machen, werden wir massiv unterstützen“, so Lutz Ribbe, umweltpolitischer Direktor der Stiftung EuroNatur. 

Die Vorschläge dazu sind nach Ansicht von EuroNatur und Bund Naturschutz jedoch nicht ausreichend. Zwar sei es völlig richtig, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen und Bauern nicht mehr für die Einhaltung von Gesetzen zu entlohnen, sondern für klar definierte Leistungen. „Die von der Kommission vorgeschlagene Fruchtfolgeregelung, wonach eine Frucht einen Anteil von bis zu 70 Prozent ausmachen darf, ist ein ökologischer und landschaftskultureller Rückschritt“, kritisiert Ribbe. Auch befürchten die Verbände, dass die Vorgabe, keine Wiesen und Weiden mehr umbrechen zu dürfen, unterlaufen werden könnte. Denn die EU-Kommission plant, die Regelung erst zum 1. Januar 2014 in Kraft zu setzen. „Das Jahr 2013 darf nicht zum Europäischen Jahr des Grünlandumbruchs werden“, warnte Ribbe.

Der Vorschlag der EU-Kommission, die Auszahlung der Gelder an die Bauern davon abhängig zu machen, dass diese sieben Prozent ihrer Ackerflächen unter einen „ökologischen Vorrang“ stellen, verteidigte Ribbe: „Ciolos hat Recht, wenn er sagt, Europa komme aus zwei Gründen nicht an einer solchen Ökologisierung vorbei: erstens, weil sie natur- und umweltpolitisch zwingend notwendig ist, nicht zuletzt, um die Produktionsgrundlagen der Bauern zu erhalten. Zweitens, weil Brüssel die jährlich rund 55 Milliarden Euro an Agrargeldern gegenüber dem Steuerzahler rechtfertigen muss“.

Bei den ökologischen Vorrangflächen muss es sich keinesfalls um stillgelegte Flächen handeln. Auch extensiv bewirtschaftete Blüh- und Gewässerrandstreifen fallen darunter. „Mit den ökologischen Vorrangflächen wird endlich eine ökologische Grundinfrastruktur auf dem Land geschaffen“, ist Hubert Weiger überzeugt. Bayerns Bauern hätten damit weit weniger Probleme als beispielsweise die großen Ackerbaubetriebe in den ausgeräumten Bördelandschaften Norddeutschlands.

Als „geradezu unmoralisch“ betrachten BN und EuroNatur die von Funktionären des Bauernverbandes geführte Debatte, wonach diese von der Kommission geplante Extensivierung den Hungertod von Menschen in der Dritten Welt bewirken würde. „Mit dem Hungerleid einer Milliarde Menschen versucht man, eine agrarindustrielle Entwicklung bei uns zu legitimieren, obwohl gerade dadurch die Hungersituation verschärft wird“, mahnte Weiger. Das bedrohliche Hungerproblem könne nur gelöst werden, wenn die Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern nachhaltig verbessert würde. Darüber sei man sich auch in Fachkreisen einig, sagt Weiger und verweist auf den Weltagrarbericht. Dieser beschreibt klar, dass der Hunger nur mit ökologisch-nachhaltigen Landbaumethoden vor Ort gelöst werden kann, und nicht mit agrarindustriellen Methoden in der EU oder in Nordamerika.

 
Vielmehr sei die heutige intensive Landwirtschaft Europas für den Hunger in der Dritten Welt mitverantwortlich. So werden dort auf über 30 Millionen Hektar Ackerland Futtermittel für Tiere angebaut, die in Europa gemästet und geschlachtet werden. Auch Energiepflanzen werden zunehmend in Entwicklungsländern angebaut, um später in Europa Maschinen anzutreiben. „Dies problematisieren die Vertreter der Agrarlobby aber nicht. Es ist eine unerträgliche Doppelmoral, wenn die wirkliche Mitverantwortung beim Hungerproblem immer dann ausgeklammert wird, wenn eigene Geschäfte winken“, so Weiger.


Sinnvoll an den Kommissionsvorschlägen ist nach Ansicht der Verbände auch die Idee, zukünftig nur aktive Landwirte in den Genuss von Zahlungen aus Brüssel kommen zu lassen. Die vom Bayrischen Bauernverband geschürten Ängste, dass diese Regelung den Nebenerwerbsbauern schaden könnte, wies Weiger als „völlig haltlos“ zurück. Er rechnete vor, dass jeder Bauer ein außerlandwirtschaftliches Einkommen von mindestens 100.000 Euro erhalten könne, ohne dass ihm sein Status als „aktiver Landwirt“ aberkannt werde. „Brüssel will Golfklubs, Flughafenbetreiber und Großkonzerne von den Zahlungen ausschließen. Dies muss der Bauernverband endlich einsehen“, so Weiger.

Auf der Webseite www.die-bessere-agrarpolitik.de können sich Medienvertreter und interessierte Bürger über Hintergründe zur europäischen Agrarpolitik informieren sowie Analysen und neueste Entwicklungen im Reformprozess abrufen.

Für Rückfragen:

  • Richard Mergner, BN-Landesbeauftragter Tel. 0911/81 87 8-25
  • Marion Ruppaner, BN-Agrarreferentin, Tel. 0911/81 87 8-20
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