Neue Studie von Bankwatch: "Grüne Investitionen" und westliche Firmen fördern auf dem Balkan Raubbau an Europas wertvollsten Flüssen

Das Medna Projekt an der Sana, von dem Energieunternehmen Kelag gebaut.

© Za vode Podgorice

Internationale Finanzinstitute sowie österreichische und deutsche Unternehmen am stärksten involviert

 

Gemeinsame Pressemitteilung von EuroNatur und Riverwatch vom
15. Dezember 2015

Radolfzell, Wien. Auf dem Balkan fließen die ökologisch wertvollsten Flüsse Europas. Noch, denn tausende Wasserkraftwerke sind in Vorbereitung und bedrohen einen wesentlichen Teil des europäischen Naturerbes. Die Planungen machen sogar vor Naturschutzgebieten wie Nationalparken, Natura 2000 Gebieten und Ramsar-Feuchtgebieten nicht Halt. Die Finanz-NGO Bankwatch hat nun im Auftrag von EuroNatur und RiverWatch insgesamt 1.829 Wasserkraftprojekte untersucht und beantwortet die Fragen, wer diese Projekte finanzieren und umsetzen soll.

Die Hauptinvestoren auf dem Balkan sind die großen internationalen Banken. EBRD (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung), Weltbank und die EIB (European Investment Bank) finanzieren derzeit Wasserkraftprojekte in Höhe von insgesamt 818 Millionen Euro. Dadurch werden 30 Naturschutzgebiete wie Nationalparke oder Natura 2000 Gebiete massiv bedroht. Die EBRD ist dabei mit 240 Millionen Euro der größte Investor, sie unterstützt 21 Kraftwerksprojekte mitten in Schutzgebieten wie etwa im mazedonischen Mavrovo Nationalpark.

"Unsere Analyse zeigt eindeutig, dass vor allem  die EBRD, aber auch die Weltbank ihre Finanzierungskriterien (safeguard policies) verändern müssen, sonst tragen sie enorm zur Naturzerstörung auf dem Balkan bei", sagt Pippa Gallop von Bankwatch, eine der Autorinnen der Studie.

Von den öffentlichen Banken sind die deutsche Entwicklungsbank KfW und ihre Tochtergesellschaft Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) nach den Untersuchungen von Bankwatch am stärksten an der Finanzierung von Wasserkraftwerken in Naturschutzgebieten beteiligt. Sie finanzieren insgesamt 8 Projekte, von denen sich 4 in wertvollen Naturschutzgebieten befinden. Schon in Betrieb genommen wurden in Mazedonien ein Kraftwerk im Mavrovo-Nationalpark und ein weiteres im Pelister-Nationalpark. In Aussicht gestellt hat die KfW die Finanzierung des Kraftwerks Vrilo in Bosnien-Herzegowina, das die Natur im Ramsar-Gebiet Livno Polje, einem Feuchtgebiet internationaler Bedeutung, massiv beeinträchtigen würde.   

"Wasserkraftwerke  stehen im Widerspruch zum Schutz der Biodiversität und sie haben deshalb in Naturschutzgebieten nichts verloren. Wir rufen die KfW und weitere Finanziers von Wasserkraftwerken auf dem Balkan dazu auf, dass sie sich zumindest aus der Finanzierung von Projekten in Naturschutzgebieten sofort zurückziehen" fordert Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer von EuroNatur.  

Laut Bankwatch spielen Firmen aus Österreich eine besondere Rolle. Mindestens 41 Wasserkraftprojekte werden von österreichischen Firmen geleitet, 21 davon liegen in Schutzgebieten. Dabei ist Wien Energie an 11 Projekten in Naturschutzgebieten und die Kelag – ein österreichisch-deutsches Unternehmen (Land Kärnten, Verbund, RWE) – an 9 Projekten beteiligt. Darunter das Projekt "Medna" an der Sana in Bosnien-Herzegowina. Dort zerstört die Kelag einen der wertvollsten Lebensräume des Huchen - einer global bedrohten Fischart. Das steierische Unternehmen ENSO Hydro baut derzeit in Albanien ein Wasserkraftwerk mitten in einem Nationalpark.

"Die angeblich so umweltbewussten österreichischen Firmen zeigen am Balkan ein ganz anderes Gesicht. Hier nehmen sie weder auf  Schutzgebiete noch auf  bedrohte Arten Rücksicht", so Ulrich Eichelmann von Riverwatch.

"Die gute Nachricht ist, dass die meisten Projekte noch nicht gebaut sind. Wir werden alles daran setzen, diesen Raubbau an Europas wertvollsten Flüssen zu stoppen", sagt Gabriel Schwaderer abschließend.


Hintergrundinformationen:

  • Aktuelle Studie (inklusive Datenbank) von Bankwatch "Finanzierung von Wasserkraftprojekten in Schutzgebieten in Südosteuropa"
  • Zur Kampagne „Rettet das Blaue Herz Europas“: Derzeit droht den Flüssen auf der Balkanhalbinsel ein wahrer Staudamm-Tsunami. Rund 2.700 Wasserkraftwerke zwischen Slowenien und Albanien sind geplant. Um der Zerstörung entgegen zu wirken, haben EuroNatur und Riverwatch gemeinsam mit Partnern aus den Balkanländern die internationale Kampagne „Rettet das Blaue Herz Europas“ gestartet.


Interviewpartner und Rückfragen:
Katharina Grund - EuroNatur - katharina.grund(at)euronatur.org, 0049 7732 9272 10
Cornelia Wieser -  Riverwatch - cornelia.wieser(at)riverwatch.eu, 0043 650  4544784
 

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