Deutsche Firma geht über Vogel-Leichen

Bauarbeiten zerstören UNESCO-Weltnaturerbe Donaudelta

Presseinformation vom 5. August 2004

 

Radolfzell. Mitten in der Brutzeit vertreibt der Lärm der Baggerschiffe im ukrainischen Donaudelta Tausende Vögel von ihren Gelegen und gerade geschlüpften Küken. Die Baggerschiffe der Hamburger Spezialfirma Möbius graben einen Schifffahrtskanal durch die Kernzone des UNESCO-Biosphärenreservats Donaudelta. Allein von der bedrohten Brandseeschwalbe sind nach Informationen der Stiftung Europäisches Naturerbe (EuroNatur) bereits 1.380 Paare aus ihren angestammten Brutkolonien verscheucht worden, was einem Todesurteil für die zurückgebliebenen Küken gleichkommt.

Nachdem holländische Firmen den Auftrag der ukrainischen Regierung abgelehnt hatten, sprang die Josef Möbius Bau-AG in die Bresche. EuroNatur-Projektleiter Dr. Martin Schneider-Jacoby ist fassungslos: "Das sogenannte Umweltgutachten ist ein Witz. Auf Deutschland übertragen, hieße das einen Kanal mitten durch die Vogelinsel Trischen im Wattenmeer-Nationalpark zu graben. Und das während der Brutsaison. Ein Skandal!"

Dmitry Skrylnikov ist Anwalt bei der ukrainischen Naturschutzorganisation "Ecopravo-Lviv" und ergänzt: "Die ukrainische Regierung hat alle umweltschonenden Kompromisse abgelehnt, aber ohne die Unterstützung der deutschen Spezialfirma hätten die Pläne so nie verwirklicht werden können. Wir verstehen nicht, warum in Deutschland viel Geld für die Wiedergutmachung früherer Umweltsünden zum Beispiel am Rhein ausgegeben wird und gleichzeitig deutsche Firmen daran verdienen, die gleichen Fehler im Ausland zu wiederholen."

Das grenzüberschreitende UNESCO-Biosphärenreservat "Donaudelta" liegt am Schwarzen Meer zwischen der Ukraine und Rumänien und beherbergt eine der letzten, natürlich erhaltenen großen Flussmündungen Europas. Es ist das wichtigste Brutgebiet für zahlreiche bedrohte Vogelarten wie die Brandseeschwalbe oder den Rosa-Pelikan.

Martin Schneider-Jacoby von EuroNatur befürchtet: "Der Kanal würde dem Delta lebenswichtiges Wasser und Sedimente entziehen und damit einen drastischen Rückgang vieler bedrohter Arten bewirken. Die Grabungsarbeiten werden ohne die notwendige Abstimmung mit dem Nachbarland Rumänien und gegen zahlreiche internationale Konventionen durchgeführt und können dem Biosphärenreservat seinen UNESCO-Status kosten. Damit wäre der endgültigen Ausbeutung des Deltas Tür und Tor geöffnet. EuroNatur fordert einen sofortigen Baustopp und die Realisierung umweltverträglicher Alternativen."

Zum Download der Bilddateien klicken Sie bitte auf das entsprechende Bild. Bildautor: Andrey Matweev, Danube Biosphere Reserve

 

Rückfragen:

Stiftung Europäisches Naturerbe (EuroNatur)

Konstanzer Str. 22

78315 Radolfzell

Tel. 07732 - 92 72 0

Fax 07732 - 92 72 22

E-mail info@euronatur.org

Internet www.euronatur.org

 

Informationen der Ramsar-Sekretariats und der ukrainischen Naturschützer (Englisch):

www.ramsar.org/ram_rpt_53e.htm

www.epl.org.ua

www.seu.ru/projects/eng/dunay/

Josef Möbius AG

Bilder von den zerstörten Vogelkolonien:

www.seu.ru/projects/eng/dunay/jertvy.htm

http://www.seu.ru/projects/dunay/gallery4.htm

AFP Meldung vom 12. August 2004:

Schröder kritisiert ukrainisches Kanalprojekt im Donaudelta

Deutsche Firma an umstrittenem Vorhaben beteiligt

Bukarest, 12. August (AFP) - Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat ein ukrainisches Kanalbauprojekt im Donaudelta kritisiert, an dem auch deutsche Firmen beteiligt sind. Schröder stellte sich damit am Donnerstag während seines Besuchs in Bukarest hinter Einwände der rumänischen Regierung gegen das Bauvorhaben, das ökologisch wertvolle Gebiete im Mündungsgebiet der Donau in das Schwarze Meer gefährdet. Der Kanzler bezeichnete es als "unverantwortlich", dass mit dem Bau begonnen worden sei, ohne die Auswirkungen auf die Umwelt angemessen zu prüfen. Nach Angaben des rumänischen Ministerpräsidenten Adrian Nastase war der umstrittene Kanalbau ein Gegenstand seines Gesprächs mit dem Kanzler.

Das Vorhaben wird im Auftrag der ukrainischen Regierung maßgeblich von dem Hamburger Unternehmen Möbius Bau AG umgesetzt. Dazu sagte Schröder, die Bundesregierung habe keine Möglichkeit, ein Privatunternehmen von der Annahme eines solchen Auftrages abzuhalten, zumal auch keine staatliche Unterstützung dafür erbeten worden sei. Andernfalls "würden sie diese auch nicht bekommen", fügte der Kanzler hinzu. Beim Donaudelta handele es sich um eines der wichtigsten und sensibelsten europäischen Ökosysteme. Schröder betonte, die Bundesregierung habe ihre Haltung dazu auch bereits gegenüber der Ukraine deutlich gemacht.

Der Kanal soll der ukrainischen Binnenschifffahrt einen Zugang zum Schwarzen Meer verschaffen. Er würde das Naturschutzgebiet des Deltas durchschneiden. Dieses ist seit 1991 als UNESCO-Weltnaturerbe anerkannt. In der Region leben zahlreiche seltene Fisch- und Vogelarten.

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