Putins Angriffskrieg und die europäische Energiekrise

Russland ist in die Ukraine einmarschiert. Unsere Blog-Autorin Bruna Campos ist unverändert schockiert über das, was dort passiert. Krieg ist entsetzlich und es gibt niemals einen Grund, einen zu beginnen.

Warnschild vor Minen in Afrika

Warnung vor Tretminen

© Stephane Gisiger; Wikimedia Commons
eine Erdgas-Pipeline wird verlegt

Erdgas-Pipeline

© Ulrichulrich; Wikimedia Commons
Wiese mit Wildblumen im Bregenzer Wald

Stillgelegte Agrarflächen für den Anbau von Futterpflanzen freizugeben, ist der falsche Weg.

© Katharina Grund
Menschen vor Haus mit Solardach

Vorbildlich beim Ausbau der Solarkraft: die albanische Gemeinde Kutë

© Christiane Schmidt

Ich bin in Angola aufgewachsen. In den späten 1980er Jahren drehte sich der Krieg in Angola darum, wie viele Landminen man noch auslegen konnte. Aber ich war privilegiert und musste nicht auf den Feldern arbeiten, um zu überleben. Meine Eltern hatten glücklicherweise Jobs und wir hatten ein Dach über dem Kopf. Ich war zu jung, um die Zusammenhänge zu verstehen: Warum waren die Geschäfte leer, warum bettelten Kinder oder warum fehlten manchen Menschen Arme oder Beine?

Jahre später, als Erwachsene, war mir bewusst geworden, dass Krieg das Schlechteste in den Menschen hervorholt. Das Töten von Zivilisten und die physische Gewalt gegen unschuldige Menschen ist widerwärtig. Fotos, Videos oder Berichte können niemals das Grauen, das Leid, den Schmerz und die Trauer wiedergeben, die unschuldige Menschen in einem kriegsgebeutelten Land durchmachen. Und als ob dieses Leid nicht schon schlimm genug wäre, gibt es dann auch noch diejenigen, die aus diesem Schrecken Profit schlagen wollen. Ich sehe wenig Unterschied zwischen den korrumpierten Politikern in Angola, die sich am Leiden ihres eigenen Volkes im Bürgerkrieg bereicherten, und manchen Politikern in Europa, die den Angriff auf die Ukraine zu ihrem eigenen Vorteil ausschlachten wollen.

Vielleicht empfinden Sie es als weit hergeholt, Politiker aus Angola und EU-Staaten miteinander zu vergleichen, aber lassen Sie mich erklären, warum es sich manchmal so anfühlt, als würden sie dasselbe Süppchen kochen.

Viele Regierungsverantwortliche in Europa wissen seit langem, dass es keine gute Idee ist, sich auf fossile Brennstoffe zu stützen – und schon gar nicht auf fossile Brennstoffe aus Russland, einem Land mit bekannt antidemokratischer Regierung, das seine Bevölkerung bespitzelt, die Meinungsfreiheit einschränkt und die Zivilgesellschaft unterdrückt. Dennoch haben viele Politiker die Bemühungen um eine Lösung der ökologischen Krise und um eine Wende hin zu 100% erneuerbarer Energie verzögert oder sogar sabotiert. So hat die vergangene EU-Kommission versucht, Umweltgesetze abzuschaffen. Es bedurfte monatelanger Proteste von Jugendlichen, damit die EU endlich eingeräumt hat, dass eine gesunde Zukunft in Europa die Lösung der ökologischen Krise benötigt. Und so bekamen wir den Green Deal – einen neuen Weg nach vorne für Europa. Aber viele Politikerinnen und Politiker zögern noch immer, denn für viele von ihnen bedeutet der Green Deal eine Änderung ihrer Überzeugungen, ihrer Politik, ihrer Wirtschaft. Und Veränderung ist schwer. Aber wir müssen uns vor Augen halten, dass Putin die Ukraine überfallen hat und dass jetzt nicht die Zeit ist, nötigen Veränderungen mit Angst zu begegnen.

Und siehe, nach Putins Einmarsch in der Ukraine laufen die Politiker plötzlich aufgescheucht herum und suchen nach Möglichkeiten, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beizubehalten, indem sie mehr LNG-Terminals bauen, die Farm-to-Fork-Strategie kaltstellen, die Intensivlandwirtschaft und den verstärkten Anbau von Energiepflanzen fördern oder neue Atomkraftwerke errichten.

Und dies ist jetzt Teil der Debatte über die Erneuerbare-Energie-Richtlinie (RED) und wie sie im kommenden Winter die russischen Brennstoffe ersetzen soll. Ich finde es wirklich deprimierend, wie schnell sich die Diskussionen verschlechtern. Man muss kein Genie sein, um zu verstehen, dass die RED eine langfristige Politik ist, die nicht kurzfristig den Heizbedarf lösen oder die Treibstoffpreise senken wird.

Den Energieverbrauch senken ist das Gebot der Stunde

RePowerEU – der kommende Plan der EU-Kommission für den Ausstieg aus russischen fossilen Brennstoffen wird eine Lösung für den kommenden Winter vorsehen müssen. Er sollte aber keineswegs dazu führen, Infrastruktur zu errichten, die Jahre für ihre Operationalisierung braucht. Stattdessen sollte der Fokus darauf liegen, den Energieverbrauch zu vermindern. Es ist unfassbar, wie allergisch Politiker auf ein Plädoyer für eine kollektive Reduktion des Energieverbrauchs reagieren können, obwohl dies gut für alle und den Planeten wäre. Dabei geht es nicht nur darum, dass wir überall die Heizungen um ein Grad zurückdrehen, sondern vor allem darum, dass die nationalen Regierungen die nötigen Regularien erlassen und durchsetzen: bessere Wärmedämmung in so vielen Häusern wie möglich, intelligente Heizungssteuerungen, so viele Gaskessel wie möglich durch Wärmepumpen ersetzen, Höchstgeschwindigkeiten senken, öffentliche Verkehrsmittel billiger machen und den autofreien Sonntag – zumindest monatlich – in jeder größeren Stadt einführen. Und wenn die Politiker unbedingt kaufen und bauen wollen, dann sollten sie sich darauf konzentrieren, noch vor diesem Winter so viele Solaranlagen wie möglich auf Gebäuden anzubringen.

Aber es ist die RED, die dafür sorgen kann, dass wir in ein paar Jahren nicht vor einer noch größeren Energiekrise stehen. Stattdessen können wir Stabilität und Sicherheit haben, weil unsere Energieerzeugung dezentralisiert ist und Häuser ihre eigene Wärme erzeugen und an ihre Nachbarn oder das Nachbardorf abgeben können. Die EU braucht mehr Energiegemeinschaften, die erneuerbare Energie mit geringen ökologischen Kosten erzeugen, d.h. im Einklang mit der Natur, wie z.B. Solar-, Wind- und geothermische Energie. Wälder und Flüsse zu zerstören, um Energie zu erzeugen, ist nicht sinnvoll, denn es gibt so viele andere, bessere Möglichkeiten der Energiegewinnung.

Wenn Sie eine Politikerin oder ein Entscheidungsträger sind und nicht glauben, dass die Zukunft Europas darin besteht, erneuerbare Energien mit der Natur in Einklang zu bringen, dann stellen Sie sich die Frage, warum Sie die Augen vor dem Offensichtlichen verschließen? Wer sagt Ihnen, dass alles in Ordnung ist, auch wenn die Natur zu Schaden kommt? Wem nützt es, dem wissenschaftlichen Rat nicht zu folgen?

Zu sehen, dass Regierungsverantwortliche auf EU-Ebene oder in den nationalen Regierungen ihrer Länder sich für das Unrecht entscheiden, weil sie etwas zu gewinnen glauben - ähnlich wie die angolanischen Politiker sich entschieden haben, vom Bürgerkrieg zu profitieren oder welche Befriedigung Putin aus seinem verheerenden Krieg zieht - macht mich wütend. Das sind unlogische Entscheidungen, die die Bürgerinenn und Bürger hoffnungslos machen.

Wie soll man diesem System vertrauen können? Das Vertrauen in die Politik ist in Europa auf einem Tiefpunkt angelangt. Immer wieder werden Entscheidungen auf Eigeninteressen gestützt, statt auf Wissenschaft, Ethik und Prinzipien. Ja, es ist schwer, seine Meinung zu ändern, denn das bedeutet auch, Fehler einzugestehen. Aber die Politiker in Europa müssen sich ändern, damit wir ihnen wieder vertrauen können.

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