Arachnophilie

Was vor dem Klick geschah...Fotografinnen und Bildermacher erzählen die Geschichte hinter einer besonderen Aufnahme. Diesmal: Eine Spinne beim Spinnen

Gartenkreuzspinne beim Netz spinnen
© Christian Stielow

Dieses Foto ist an Halloween entstanden, doch für einen Schreckmoment sorgte die abgelichtete Spinne nur das erste Mal, als ich ihr begegnet bin. Eines frühen Sommermorgens wollte ich das Licht in meiner Küche anknipsen, als ich noch etwas schlaftrunken in ein Spinnennetz griff. Eine kleine Gartenkreuzspinne hatte sich über meinem Kühlschrank ihr Netz gesponnen. Meiner Freundin und mir kam die achtbeinige Mitbewohnerin sehr gelegen, wir hatten in jenem Sommer nämlich eine Trauermücken-Plage in unserer Wohnung.

Es war unglaublich spannend in den kommenden Monaten Zeuge des Spinnenalltags zu werden und Hermine – auf diesen Namen haben wir unser „Haustier“ getauft – bei der Jagd, bei ihren Häutungen oder beim Bau ihres Netzes aus nächster Nähe zu beobachten. Kreuzspinnen erneuern den Innenteil ihres filigran gewobenen Radnetzes etwa alle drei bis vier Tage, stets in den frühen Morgenstunden. Mit welcher Präzision Hermine dabei jedes Mal vorgegangen ist, hat uns immer wieder aufs Neue fasziniert.

Als sich ab dem Herbst nur noch wenige Insekten in Hermines Netz verfingen, brachten wir sie mit Fruchtfliegen aus der Zoohandlung über die kargen Wintermonate und sprühten regelmäßig einige Wassertropfen in ihr Netz, über die sie sich ebenfalls gierig hermachte. Größer als die Gefahr des Verhungerns ist für eine im Haus überwinternde Spinne das Risiko der Dehydrierung.

Im folgenden Frühjahr entschieden meine Freundin und ich uns, schweren Herzens, Hermine nach draußen zu bringen. Sie sollte die Gelegenheit bekommen, ein Männchen zu finden und Nachwuchs zu zeugen. Seither hoffe ich, dass eines von Hermines Nachkommen wieder den Weg in unsere Wohnung findet…

Fotograf im Urwald von Costa Rica
© Jessica Helmschmidt

Christian Stielow arbeitet seit 2017 in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit von EuroNatur. Eigentlich passionierter Ornithologe, hat das enge Zusammenleben mit Hermine seine Begeisterung für Gliederfüßer geweckt. Statt nur zum Fernglas greift er seither häufig auch zur Becherlupe und staunt immer wieder über die Ästhetik von Spinnen und Insekten.

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