Nächste Schritte im EU-Beitrittsprozess: Albanien muss zeigen, dass es die Vorgaben der EU ernsthaft umsetzen will.

Der Bau des Vlora-Flughafens in der Narta-Lagune ist in den zurückliegenden Monaten weit vorangeschritten. Tower und Hangar sind auch aus der Ferne gut zu erkennen.
© Lisa Leschinski
Naturbelassende Küstenabschnitte wie hier auf der Halbinsel Zvërnec sind an der östlichen Adria Mangelware. Nun sollen auch sie zerstört werden.
© Annette Spangenberg/ EuroNaturBrüssel, Radolfzell. Am 16. September 2025 hat die EU offiziell Beitrittsverhandlungen mit Albanien über das Cluster 4 aufgenommen, darunter auch das Kapitel 27 zu Umwelt und Klimawandel. Obwohl das als ein Meilenstein auf Albaniens Weg zur EU-Mitgliedschaft gefeiert wird, stellt sich die Frage, ob dieser Schritt angesichts Albaniens jüngsten Rückschritten beim Naturschutz zum richtigen Zeitpunkt kommt und glaubwürdig ist.
Ein besonders eklatanter Fall ist der Bau des internationalen Flughafens Vlora im Naturschutzgebiet Vjosa-Narta. Dieses Projekt wurde ohne gültige Baugenehmigung, ohne glaubwürdige Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und ohne strategische Umweltprüfung (SUP) begonnen. Es wurde fortgeführt, nachdem die Regierung die Grenzen des Naturschutzgebiets geändert hatte, um das Flughafengelände aus dem Gebiet “herauszuzonen“. Gleichzeitig änderte Albanien das Gesetz über Schutzgebiete, schwächte damit die Schutzmaßnahmen und öffnete die Tür für groß angelegte Infrastruktur- und Tourismusprojekte innerhalb eigentlich gesetzlich geschützter Gebiete.
All diese Maßnahmen sind keine isolierten Fehltritte. Es handelt sich um ein besorgniserregendes Muster, das genau zu einem Zeitpunkt auftritt, an dem Albanien seine Gesetze an die EU-Naturschutzvorschriften anpassen soll. Internationale Institutionen haben bereits Stellung dazu genommen. So forderte die Berner Konvention die Einstellung der Flughafenarbeiten und auch das Europäische Parlament warnte vor derartigen Gesetzesänderungen. Dennoch werden die Bauarbeiten fortgesetzt und die geänderten Gesetze bleiben in Kraft.
„Die Aufnahme von Verhandlungen im Rahmen des Umweltkapitels könnte einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, nämlich dass Albanien den Naturschutz aushöhlen und dennoch in den Beitrittsverhandlungen weiter vorankommen kann“, sagt Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer von EuroNatur. „Die EU muss beweisen, dass Kapitel 27 nicht nur eine Formalität ist, sondern ein echter Test für die Bereitschaft, die Vorgaben der EU umzusetzen.“
Lösungen und nächste Schritte
Sowohl die EU als auch Albanien tragen die Verantwortung dafür, dass die Verhandlungen nicht zu einer Greenwashing-Maßnahme werden. Die im „Gemeinsamen Standpunkt“ der EU festgelegten Maßstäbe dürfen nicht verhandelbar sein. Albanien muss konkrete Maßnahmen ergreifen:
- Die schädlichen Bestimmungen des Gesetzes 21/2024 über Schutzgebiete müssen aufgehoben werden und die Ausnahmeregelungen für „strategische Investitionen”, welche die Erschließung ökologisch sensibler Gebiete ermöglichen, müssen gestrichen werden. Der vollständige Schutz von Vjosa-Narta und anderen entsprechenden Gebieten muss wiederhergestellt werden.
- Die Arbeiten am internationalen Flughafen Vlora sind auszusetzen und zu überprüfen. Bevor weitere Schritte unternommen werden, muss das Projekt einer glaubwürdigen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und strategischen Umweltprüfung (SUP) unterzogen werden. Eine umfassende öffentliche Kontrolle ist sicherzustellen.
- Die Aarhus-Konvention muss vollständig umgesetzt werden, damit Bürger und Nichtregierungsorganisationen Zugang zu Informationen erhalten, an Entscheidungen mitwirken und rechtswidrige Projekte vor Gericht anfechten können.
- Richtlinienspezifische Umsetzungspläne (DSIPs) mit klaren Zeitplänen, Budgets und Umsetzungsmaßnahmen für Luft-, Wasser-, Abfall-, Natur- und Klimagesetze müssen verabschiedet werden.
Für die EU bedeutet das eine strenge Überwachung und politische Entschlossenheit. Kapitel 27 darf nicht abgeschlossen werden, bevor Albanien diese Bedingungen nachweislich erfüllt hat. Für Albanien bedeutet das, durch Taten und nicht durch leere Versprechungen zu zeigen, dass es bereit ist, die Umweltstandards der EU zu erfüllen.
„Die Vorgaben sind klar, und nun muss Albanien zeigen, dass es diese erfüllen kann und wird. Der Schutz von Vjosa und Narta ist nicht nur eine nationale Pflicht, sondern auch ein Beweis dafür, ob das Land wirklich bereit für Europa ist. Wenn jedoch Projekte wie der Flughafen Vlora unter mangelhaften Einschätzungen, illegalen Praktiken und unter Verletzung von Schutzgebieten vorangetrieben werden und die EU ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt, steht die Glaubwürdigkeit sowohl der albanischen Zusagen als auch der EU-Standards auf dem Spiel“, ergänzt Aleksandër Trajçe, Direktor der Organisation „Protection and Preservation of Natural Environment in Albania“ (PPNEA).
„Die Eröffnung der Verhandlungen muss eine echte Wende in der Umweltpolitik Albaniens einläuten und nicht das Begräbnis der letzten wilden Landschaften unter Beton. Die EU verfügt über die nötigen Instrumente und Standards, muss diese aber konsequent anwenden. Geopolitische Erwägungen dürfen keine Straffreiheit für Umweltverstöße rechtfertigen. Das albanische Volk und das gemeinsame Naturerbe Europas sind es wert“, so Viktor Berishaj, Senior Policy Officer bei EuroNatur.
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