Regionale Wirtschaftskreisläufe gefährdet

© Claudia Weiß

Handwerkliche Metzgereibetriebe durch EU-Hygieneauflagen von der Schließung bedroht


Presseinformation vom 24. März 2009

 
Radolfzell/München: Seit 2006 gelten neue EU- Hygieneverordnungen, nach der auch kleine Metzgerschlachtstätten bis spätestens 31.12.2009 eine Zulassung brauchen. Betroffen sind in Bayern unter anderem etwa 2000 handwerkliche Metzgereien. „Erst etwa 30 Prozent haben das Zulassungsverfahren bisher durchlaufen, von den übrigen 70 Prozent kann die Hälfte auf der Strecke bleiben, wenn es nicht gelingt, überzogene Auflagen der Veterinärbehörden zu reduzieren“, so Hubert Weiger, BN Landesvorsitzender, und weiter: „Tierschutz, kurze Wege und regionale Wirtschaftskreisläufe gehen verloren, wenn die kleinen Strukturen wegbrechen. Deswegen muss die bayerische Staatsregierung handeln und die Behörden zu einem weniger restriktiven Vorgehen anweisen“. Bund Naturschutz, EuroNatur und NEULAND e.V. weisen darauf hin, dass es von der EU gewollte und beispielsweise von Österreich mustergültig genutzte Ermessensspielräume gibt, die in Deutschland und auch in Bayern genutzt werden sollten.

Studie von EuroNatur und Neuland

Die deutschen und besonders die bayerischen Zulassungsbehörden schießen bei der Umsetzung der neuen EU-Hygieneverordnungen teilweise weit über das Ziel hinaus und behindern dadurch die handwerklichen Metzgereibetriebe, die noch selbst schlachten. Es gibt jedoch auch positive Beispiele, die zeigen, dass bei gutem Verhältnis zwischen Behörde und Betrieb und dem Vorhandensein von kompetenten Beratern immer auch gute Lösungen vor Ort gefunden werden können. Das zeigt eine Studie, die die Naturschutzstiftung EuroNatur in Kooperation mit dem NEULAND-Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung durchgeführt hat. „Die Folge von restriktiver Auslegung ist, dass entweder hohe Investitionen geleistet werden müssen, oder die Schließung der eigenen Schlachtung oder gar des ganzen Betriebs droht“, so der Jochen Dettmer, Geschäftsführer des Vereins Neuland für artgerechte Nutztierhaltung.

Untersucht wurden in 6 Bundesländern 32 handwerkliche Fleischereien und 20 Veterinär- bzw. Überwachungsbehörden, verglichen wurden die Ergebnisse mit Österreich. Dabei zeigte sich eine extrem unterschiedliche Auslegung des neuen EU-Hygienerechts. Insbesondere bei der Zulassung  für die Schlachtung gibt es gravierend unterschiedliche Handhabungen, z.B. hinsichtlich der baulichen Anforderungen.

Die bayerischen Behörden legen die EU Hygieneverordnung besonders restriktiv aus und sind damit für eine zu erwartende Welle von Schließungen verantwortlich. Die Zulassungsquote in Bayern liegt noch weit unter dem bundesdeutschen Durchschnitt und es steht zu befürchten, dass ein Großteil der Fleischereien die Zulassung nicht mehr fristgerecht erwirken wird.

Die Probleme in Bayern sind eindeutig nicht auf die Brüsseler Vorgaben, sondern auf übertriebene bayrische Standards zurückzuführen. So werden in Bayern sehr oft keine so genannten „Einraumbetriebe“ (schlachten und zerlegen in einem Raum) genehmigt und selbst Zweiraumbetriebe haben hier große Probleme. In Hessen oder Niedersachsen hingegen können solche Betriebe ohne weiteres zulassungsfähig sein. Österreich nutzt gar die EU-Vorschriften, um die kleinen Fleischereien bewusst zu fördern. Trotz der teilweise schärferen Auflagen, die Bayern auferlegt, gaben die meisten Veterinäre an, dass dadurch für den Verbraucher kein höherer Nutzen im Sinne der Hygiene entsteht.

Sollte sich also die bisherige Zulassungspraxis der einzelnen Länderbehörden nicht ändern, ist nach Schätzungen des BN Bayern mit Schließungen von eigener Schlachtung oder gar dem ganzem Betrieb von bis zu 40 Prozent zu rechnen, das wären ca. 800 kleine Schlachtstätten. Die Folge wäre eine Reduzierung von regionalen Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen, die gerade aus Klima- und Naturschutzgründen notwendig sind. Regionale Schlachtung mit kurzen Wegen für die Tiertransporte und die Vielfalt der Fleisch- und Wurstwaren würden wegfallen. Gewinner wären große Schlachtunternehmen, die dann noch mehr den Markt beherrschen würden.

Eine Vereinfachung des Antragsverfahrens ist dringend erforderlich und würde den Zulassungsprozess wesentlich beschleunigen. Die Verbände fordern deshalb auch eine staatliche Informationskampagne, um noch möglichst vielen handwerkliche Metzgereibetriebe zu erreichen.

Die ausführliche Studie kann hier als pdf-Datei (285 kb) heruntergeladen werden.

Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

  • Claudia Weiß, EuroNatur, 02226- 2045 
  • Marion Ruppaner, BN, 0911 81 87 8- 20
  • Jochen Dettmer, Neuland, 039 055 -92914

 

Mitmachen und dabei sein - werden Sie aktiv

Spende

Zukunft braucht Natur. Wir setzen uns für sie ein. Bitte nutzen Sie Ihre Möglichkeiten, um zu helfen. Ihre Spende ist ein wirkungsvoller Beitrag für eine lebenswerte Umwelt.

Fördermitgliedschaft

EuroNatur setzt auf langfristig angelegte Naturschutzprojekte statt Schnellschüsse. Mit Ihren regelmäßigen Spendenbeiträgen geben Sie uns die dafür nötige Planungssicherheit.

Aktuelles

Rumänische Wälder und Natura-2000-Gebiete brauchen dringend Schutz

Ein aktueller Bericht von EuroNatur und Agent Green liefert neue Erkenntnisse zu Fällungen in Rumäniens Schutzgebieten. Die Naturschutzorganisationen…

Flughafenbau bedroht albanisches Vogelparadies

++ Die Bauarbeiten für den Flughafen in der Narta-Lagune schreiten trotz erheblicher Proteste unvermindert voran ++ Rastgebiet von internationaler…

Von wegen nachhaltig: Enttäuschende Ergebnisse nach EU-Energie-Trilog

++ Holzverbrennung und Wasserkraft können weiter auf Erneuerbare-Energie-Ziele angerechnet werden ++ Kein Wille zu nachhaltiger Klimapolitik in der EU…

Riesiger Erfolg: Die Vjosa ist Nationalpark

++ Heute wurde die Vjosa in Albanien zu Europas erstem Wildfluss-Nationalpark ausgerufen ++ EuroNatur, Riverwatch und viele weitere Partner haben…

Weitere Skigebiete rund um Svydovets geplant

Im Jahr 2016 kündigte die staatliche Verwaltung der Oblast Transkarpatien ihre Pläne zum Bau eines gleichnamigen Skigebiets im Bergmassiv Svydovets…

Bleischrotverbot in Feuchtgebieten in Kraft getreten

Gute Nachricht für Europas Wasservögel: Die Verwendung von Bleischrotmunition bei der Jagd in Feuchtgebieten ist endlich verboten. Am 15. Februar 2023…

Keine Sorge vor dem Wolf

Erstmals seit mehr als 100 Jahren wurde im Schwarzwald eine Wölfin nachgewiesen. Da bereits zwei männliche Wölfe in der Region leben, könnte es bald…

Flamingos oder Flugzeuge: Proteste gegen Flughafen in Albanien

++ Weltfeuchtgebietstag lenkt Aufmerksamkeit auf globale Zerstörung von Flüssen, Seen, Mooren und Küsten ++ Große Protestaktion in Albanien gegen…

Schwaderer in Steinmeiers Delegation

Große Ehre für Gabriel Schwaderer: Der EuroNatur-Geschäftsführer war bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiers Staatsbesuch in Albanien und…

Vjosa-Wildfluss-Nationalpark: Expertenteam legt Machbarkeitsstudie vor

Die Vjosa, einer der letzten großen Wildflüsse Europas, ist ihrer Unterschutzstellung heute einen großen Schritt nähergekommen. Das Projektteam aus…

Rechtliche Schritte gegen den Vlora-Flughafen in Albanien

Neue Entwicklungen zum geplanten Flughafenbau in der Narta-Lagune: Die von unseren Partnern eingereichte Klage gegen das Projekt wurde in erster…

Düstere Aussichten für Svydovets

Im ukrainischen Bergmassiv Svydovets soll ein gigantisches Skiresort entstehen. Gegen diese Pläne hat die Umweltbewegung Free Svydovets geklagt. Nun…

Jahresrückblick 2022

Ukraine-Krieg und Energiekrise, Vogelgrippe und Fischsterben, dazu noch immer die Corona-Pandemie und ihre Folgen. 2022 war ein kompliziertes Jahr,…

Vielfalt der Natur im Fokus

++ Internationaler EuroNatur-Fotowettbewerb 2023 startet ++ Runder Geburtstag für die „Naturschätze Europas“ ++

Weiterer Widerstand gegen albanischen Flughafenbau

Europäische Regierungen fordern die albanische Regierung auf, den Bau des Flughafens in der Narta-Lagune auszusetzen. Das Hauptargument: die…