Illegaler Holzeinschlag in Rumäniens Naturwäldern nimmt trotz Gerichtsdrohung zu

Neue Daten belegen, dass die Zerstörung der letzten großen verbliebenen Ur- und Naturwälder der EU in Rumänien unvermindert anhält.

Noch gibt es nahezu unberührte Waldwildnis in den rumänischen Karpaten. Hier darf auch Totholz liegen bleiben und seine wichtige Funktion im Ökosystem wahrnehmen.

© Matthias Schickhofer/EuroNatur

Im Fagaras-Gebirge, einem der wertvollsten Urwaldgebiete unseres Kontinents, wurde großflächtig Holzeinschlag betrieben.

© Agent Green

Radolfzell, Bukarest. Die Daten zeigen, dass der illegale Holzeinschlag in einem der ältesten und wertvollsten Wälder Europas in Rumänien (im Fagaras-Gebirge) in den letzten zwei Jahren sogar zugenommen hat, obwohl die Europäische Kommission rechtliche Schritte gegen den rumänischen Staat eingeleitet hat, um dagegen vorzugehen.

Der Bericht, der von den Nichtregierungsorganisationen EuroNatur, Agent Green und ClientEarth veröffentlicht wurde, zeigt, dass die wertvollen Wälder des Fagaras-Gebirges am stärksten von diesen illegalen Aktivitäten betroffen sind. Die Abholzungsgenehmigungen in diesen Gebieten haben zwischen 2020 und 2021 drastisch zugenommen, was zu einer erheblichen Verschlechterung der wertvollen Waldökosysteme geführt hat.

Nach einer Reihe von Beschwerden, die von den drei Organisationen eingereicht wurden, leitete die Europäische Kommission 2020 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den rumänischen Staat ein. Da die rumänischen Behörden darauf nicht reagierten, gab die Europäische Kommission später im selben Jahr eine begründete Stellungnahme ab - eine letzte Aufforderung an den rumänischen Staat, das Problem anzugehen.

Gleichzeitig wurde angedroht, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu bringen, wenn Rumänien nicht innerhalb der nächsten vier Wochen unverzüglich Maßnahmen ergreife. Wie der neue Bericht jedoch deutlich zeigt, sind fast zwei Jahre vergangen, in denen Rumänien der Forderung der Kommission noch immer nicht nachgekommen ist. Trotz der Gespräche zwischen Rumänien und der Europäischen Kommission hat der EU-Mitgliedstaat bisher keine wirksamen Schritte unternommen, um die Zerstörung seiner geschützten Naturwälder in den Natura 2000-Gebieten zu stoppen.

Die drei Organisationen fordern die Europäische Kommission auf, sofort zu handeln und den Fall an den EuGH zu verweisen - aufbauend auf dem Urteil des höchsten EU-Gerichts aus dem Jahr 2018 gegen die massive Abholzung des polnischen, nach EU-Recht geschützten Bialowieza-Urwaldes.

"Leider hat sich für die Wälder Rumäniens bislang nichts zum Guten gewendet, obwohl die Europäische Kommission rechtliche Schritte eingeleitet hat", sagt Gabi Paun, Geschäftsführer der rumänischen Naturschutzorganisation Agent Green. "Im Gegenteil: Unsere Felduntersuchungen und Datenanalysen zeigen, dass in vielen wertvollen Wäldern Rumäniens der Holzeinschlag im Vergleich zu der Zeit vor dem EU-Verfahren sogar massiv zugenommen hat. Wir haben die Beweise der Kommission vorgelegt und erwarten eine ernsthaftere Verfolgung dieser Verstöße und eine Sanktionierung der Untätigkeit des rumänischen Staates", so Paun weiter.

"Die rumänischen Behörden scheinen die Europäische Kommission zu täuschen. Wir fordern die EU auf, dringend für die Durchsetzung des bestehenden EU-Rechts in Rumänien zu sorgen. Alles andere wäre ein fatales Zeichen der Schwäche, nicht nur gegenüber Rumänien, sondern auch gegenüber anderen EU-Ländern. Letztlich gefährdet die Untätigkeit Brüssels in Bezug auf die fortschreitende Waldzerstörung in Rumänien die erfolgreiche Umsetzung der gesamten EU-Biodiversitätsstrategie und des Green Deals", sagt Annette Spangenberg, Leiterin des Bereichs Naturschutz bei EuroNatur.

Agata Szafraniuk, Rechtsexpertin für Wildtiere und Lebensräume bei ClientEarth, sagt: "Die anhaltende Untätigkeit der rumänischen Behörden bedingt, dass sich die Situation in den Wäldern des Landes weiter verschlechtert. Trotz der Warnungen der Europäischen Kommission verstößt Rumänien weiterhin gegen die Naturschutzvorschriften der EU, indem es Abholzungsgenehmigungen in geschützten Waldgebieten erteilt, ohne die Auswirkungen dieser Aktivitäten auf die Natur und die Tierwelt zu prüfen. Wenn die Kommission diese eindeutige Missachtung der EU-Naturschutzvorschriften durch Rumänien nicht vor dem höchsten Gericht der EU zur Sprache bringt, sieht die Zukunft dieser wichtigen Wälder düster aus."


Hintergrundinformationen:

  • In Rumänien gibt es noch mehr als 500.000 Hektar potentieller Ur- und Naturwälder, mehr als in jedem anderen EU-Mitgliedstaat (außerhalb Skandinaviens). Etwa 300.000 Hektar der rumänischen Wälder sind als Natura 2000-Gebiete gelistet. Viele geschützte Tiere, wie Bären, Wölfe, Schwarzstörche, Eulen, Spechte, Fledermäuse und Käfer sind auf diese Wälder angewiesen.
  • Die Kampagne „SaveParadiseForests“ setzt sich für den Schutz der Ur- und Naturwälder der Karpaten ein, besonders in Rumänien. Sie wird von den NGOs EuroNatur (Deutschland) und Agent Green (Rumänien) gemeinsam koordiniert und durchgeführt.
  • Bericht "Investigation into habitat degradation in Făgăraș, Domogled, Maramureș and Frumoasa Natura 2000 sites" (engl.)

 

Rückfragen:
EuroNatur, Christian Stielow, christian.stielow(at)euronatur.org, Tel.: +49 (0)7732 - 92 72 15
Agent Green, Catalina Radulescu, office(at)agentgreen.org, +40745138165
ClientEarth, Bianca Vergnaud, bvergnaud(at)clientearth.org, +32 471 88 70 95

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