Frühlingsboten: Zugvögel kehren zurück

EuroNatur: Vogelgripperisiko für Bevölkerung gering

 

Presseinformation vom 13.3.2006

 

 

Radolfzell. Trotz des langen Winters kehren dieser Tage Kiebitze, Drosseln, Stare und viele andere Zugvögel nach Deutschland zurück. Nach Auffassung der internationalen Umweltstiftung EuroNatur ist dabei das Vogelgrippe-Risiko für die Bevölkerung sehr gering, und die Menschen sollten sich die Freude an den gefiederten Frühlingsboten nicht nehmen lassen.

Es sei zwar möglich, dass Zugvögel die Krankheit übertragen könnten, und deshalb sollte sich jeder an die Sicherheitsempfehlungen der Forschungsinstitute halten. Andererseits müssten aber auch alle Verbreitungswege der Viren gleichermaßen berücksichtigt und es dürften jetzt nicht alle Vögel als fliegende Seuchenherde gebrandmarkt werden. Auch die Ansteckung mehrer Katzen auf Rügen müsse entsprechende Sicherheitsvorkehrungen nach sich ziehen. Allerdings gelte nach wie vor, dass Säugetiere sehr große Virusmengen aufnehmen müssten, um sich anzustecken, betont man bei EuroNatur.

Gegen die Theorie vom alleinigen Sündenbock "Zugvögel" sprechen nach EuroNatur-Recherchen viele Fakten: So sei nach Angaben der EuroNatur-Partnerorganisationen "Palestine Wildlife Society" und "Society for the Protection of Nature in Lebanon" im Nahen Osten noch kein einziger Vogelgrippefall aufgetreten, obwohl auch dort schon seit längerem Untersuchungen durchgeführt werden und dieses Frühjahr bereits mehrere Millionen Zugvögel durchgezogen sind. So ist es auch denkbar, dass die in jüngster Zeit in Europa betroffenen Vögel bereits seit längerem Virusträger waren und erst jetzt gegen Ende des Winters der Krankheit zum Opfer fielen. Nach Angaben von EuroNatur kommen Influenza A-Viren, zu denen auch die H5N1-Virusvariante gehört, bei jedem dritten Wasservogel vor. Bei normalen Umweltbedingungen und gesunden Tieren kommen die Grippeerkrankungen aber nicht in großer Zahl zum Ausbruch. So wurde H5N1 bei flugfähigen Wasservögeln bislang noch in keinem Fall nachgewiesen. "Obwohl sich auf Rügen und am Bodensee mehrere Hunderttausend Wasservögel aufhalten, ist es bislang bei vergleichsweise wenigen Vogelgrippe-Fällen geblieben" gibt Claus-Peter Hutter, Präsident von EuroNatur, zu bedenken. Störche, Meisen oder Schwalben seien weltweit bislang noch gar nicht von der Vogelgrippe betroffen gewesen.

Massentierhaltung fördert Viren und Bakterien

Tiertransporte und industrielle Massentierhaltung bergen nach Einschätzung von EuroNatur ein weit höheres Verbreitungsrisiko als Wildvögel. Im Hinblick auf die Übertragbarkeit auf den Menschen sei das Risiko sogar wesentlich höher, da der Kontakt zu Menschen ungleich enger ist, als bei frei lebenden Vögeln. Ganz falsch sei deswegen auch ein Festhalten an der Käfighaltung von Geflügel, wie sie jetzt von einigen Befürwortern der Agrarindustrie gefordert würde. Viele Experten sehen in der industriellen Tierhaltung nicht die Lösung, sondern die Ursache des Problems. Der Stress, dem Tausende auf engstem Raum zusammengepferchte Tiere ausgesetzt sind, schwächt auch ihr Immunsystem. Viren und Bakterien haben es dann besonders leicht. Wildtiere dagegen werden mit den Krankheitserregern meist viel besser fertig.

Die Stallpflicht - so betont die Umweltstiftung EuroNatur - sei keine Garantie gegen Infektionen, wie der bislang einzige Fall einer Ansteckung von Nutzgeflügel in Europa zeige: Am 25. Februar waren 400 Puten in einem Stall in Versailleux bei Lyon über Nacht an der Vogelgrippe gestorben, woraufhin der Putenzüchter alle seine 11.000 Puten töten musste. Keines dieser Tiere hatte jemals den Stall verlassen. Wie die Ansteckung erfolgte, konnte bislang nicht sicher geklärt werden.

Nach Recherchen der Financial Times Deutschland tragen Zugvögel und extensive Hühnerställe wenig zur Ausbreitung von H5N1 bei. Für die Einwanderung von infizierten Wasservögeln aus Osteuropa nach Norddeutschland gäbe es eine andere Erklärung: Fischfarmen in Russland, China und verschiedenen osteuropäischen Ländern verwenden nicht sterilisierte Abfallstoffe aus Geflügelfarmen, darunter Hühnerkot, als Fischfutter und Landwirte benutzen sie als Dünger - eine Praxis, die die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) als "hoch riskante Produktionsweise" bezeichnet. Dabei ist längst bekannt, so die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass der H5N1-Virus in Geflügelkot bis zu 35 Tage überdauern kann. Fakt ist auch, dass die meisten Ausbrüche in Südostasien auf den Handel mit Geflügel und Geflügelprodukten oder auf verunreinigtes Material aus Großzuchten zurückzuführen sind. Der Handel mit Abfall und verseuchten Produkten der Geflügelindustrie könnte demnach wesentlich zur Verbreitung des Virus beitragen.

Relativierung notwendig

Fazit der internationalen Umweltstiftung EuroNatur: Momentan ist die Gefahr einer Ansteckung der Bevölkerung durch Zugvögel verschwindend gering. Der H5N1-Virus grassiert seit 1997 im Lebensraum von mehr als einer Milliarde Menschen und hat dennoch in dieser Zeit weniger als 100 Menschenleben gefordert. "Die Vogelgrippe muss genauso wie Fleischskandal und BSE Anlass sein, eine artgerechte und diversifizierte Landwirtschaft zu fördern, statt in Panik zu geraten", so EuroNatur-Präsident Claus-Peter Hutter. Damit würde die Ausbreitung von Krankheitserregern erschwert und die Anfälligkeit hoch spezialisierter Massentierhaltungsbetriebe wäre ein Problem der Vergangenheit.

 

"Die Seuche aus der Hühnerfabrik" - Financial Times Deutschland vom 3.3.2006

"Neue Pest, alte Angst" - Essay von J. H. Reichholf, Die Welt vom 7.3.2006

 

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