Allianz gegen Staudamm an der Vjosa wächst

++ Forschungszentrum an der albanischen Vjosa eröffnet ++ Wissenschaftler üben scharfe Kritik an der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zum geplanten Kalivaç-Staudamm ++ Albanischer Staatspräsident spricht sich für Vjosa-Nationalpark aus ++

Der Flussbiologe Fritz Schiemer bei der Eröffnung des nach ihm benannten Forschungszentrums an der Vjosa

Der Moment der Überraschung für den Namnesgeber: Das „Vjosa Research Center Fritz Schiemer" in Tepelena ist heute in Anwesenheit des albanischen Präsidenten Ilir Meta eingeweiht worden. Es dient Wissenschaftlern zur Erforschung dieses letzten großen Wildflusses in Europa und seiner Nebenflüsse.

© Taulant Haxhiasi
Politiker und Wissenschaftler stehen gemeinsam für die Vjosa ein

Der Präsident Albaniens Ilir Meta (Mitte, grünes Hemd) und die Wissenschaftler am Ufer der Vjosa: Gemeinsam erheben sie ihre Stimme gegen den geplanten Kalivaç-Staudamm und für die Idee eines Vjosa-Nationalparks.

© Franc Zhudra

Tirana, Tepelena. Der albanische Staatspräsident Ilir Meta weihte heute gemeinsam mit Vertretern der Universitäten Tirana und Wien sowie dem Bürgermeister von Tepelena, Tërmet Peçi, das Vjosa-Forschungszentrum in der albanischen Kleinstadt Tepelena ein. Das Zentrum soll von Studenten und Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland  genutzt werden, um diesen letzten großen Wildfluss Europas und seine Nebenflüsse zu erforschen. Große Ehre wurde dabei dem Wiener Professor Fritz Schiemer zuteil. Aufgrund seiner Verdienste für die Erforschung und den Schutz der Vjosa trägt das Forschungszentrum auf Vorschlag seiner albanischen Kollegen den Namen „Vjosa Research Center Fritz Schiemer.“

Fritz Schiemer erfuhr erst während der Eröffnungszeremonie von der Ehre: „Ich bin zutiefst gerührt. Die Auszeichnung im Verbund mit diesem großartigen Zentrum ist ein weiterer Ansporn für mich und meine Kollegen, diesen einmaligen Fluss zu retten und die drohenden Staudammprojekte zu verhindern. Die Vjosa ist ein natürliches Freilandlabor, einmalig in Europa.“

Albanischer Staatspräsident spricht sich für Nationalpark und gegen Kraftwerke aus
Im Anschluss an die Eröffnungszeremonie unternahmen die Wissenschaftler eine Bootsfahrt auf der Vjosa. Meta nutzte die Gelegenheit, am Ufer des Flusses für die Idee eines Vjosa-Nationalparks zu werben, anstatt den Fluss zu stauen. „Ich spreche mich für einen Vjosa-Nationalpark aus. Energie kann auf andere Weise erzeugt werden, vor allem durch Sonne und Wind. Es ist nicht notwendig, die Vjosa zu zerstören. Wir brauchen jedoch mehr Dialog zwischen den verschiedenen Interessengruppen, einschließlich der Regierungsinstitutionen, um die Zukunft dieses bemerkenswerten Flusses zu diskutieren.“

„Die Zukunft der Vjosa wird sich am geplanten Kalivaç-Staudamm entscheiden. Schaffen wir es, dieses Wasserkraftprojekt zu verhindern, stehen die Chancen für die Gründung von Europas erstem Wildfluss-Nationalpark sehr gut. Es ist wunderbar, dass die Unterstützer der Nationalparkidee immer mehr werden“, sagt Ulrich Eichelmann, Geschäftsführer von Riverwatch und Koordinator der Kampagne „Save the Blue Heart of Europe“.

„Die Vjosa ist ein europäischer Schatz, den wir nicht verlieren dürfen. Gemeinsam mit unseren Partnern werden wir alles dafür tun, dass die Vision des Vjosa-Nationalparks Wirklichkeit wird“, sagt Annette Spangenberg, Projektkoordinatorin bei EuroNatur.

UVP Kalivaç ist eine Farce
Bereits einen Tag zuvor, am 24. September, fand in Tirana auf Einladung des Staatspräsidenten ein Runder Tisch zur Zukunft der Vjosa statt. Dort präsentierten Professor Schiemer und Professor Aleko Miho von der Universität Tirana im Namen von mehr als 50 Wissenschaftlern ihre Bewertung der UVP für das geplante Wasserkraftwerk Kalivaç – einem gewaltigen Staudammprojekt mit einer ca. 50 Meter hohen Staumauer, das die Vjosa auf einen Schlag zerstören würde.

Das Ergebnis der Experten in ihrer Stellungnahme ist eindeutig: „Der Bericht, in Auftrag gegeben vom türkisch-albanischen Staudamm-Konsortium, ist stark voreingenommen und bleibt deutlich hinter den wissenschaftlichen und rechtlichen Mindestanforderungen für eine solche Prüfung zurück. Der gesamte Bericht ist sehr mangelhaft, tiefgreifende Auswirkungen und Maßnahmen wurden unzureichend ausgewertet, beziehungsweise überhaupt nicht berücksichtigt. Das Schlimmste ist, dass die Daten, die wir in den letzten Jahren ausgewertet haben, missbräuchlich verwendet und daraus falsche Schlussfolgerungen gezogen wurden.“

„Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist inakzeptabel. Unser Umweltminister muss diese UVP ablehnen und kann die Genehmigung zum Bau des Staudamms nicht auf ihrer Grundlage erteilen. Die Vjosa ist von internationaler Bedeutung und diese Prüfung ist eine Farce", sagt Aleko Miho von der Universität Tirana.

IUCN spricht sich ebenfalls für Vjosa-Nationalpark aus
Auch die IUCN - International Union for Conservation of Nature - hebt die internationale Bedeutung der Vjosa hervor. Andrej Sovinc, Vertreter der Weltkommission für Schutzgebiete der IUCN, erinnerte die Teilnehmer am Runden Tisch in Tirana daran, dass eine Ausrufung des Vjosa-Nationalparks neben dem Schutz des Flusses auch Einkommen für die umliegenden Gemeinden schaffen würde. „Die Vjosa wird nie für ihr Wasserkraftpotenzial bekannt sein, aber sie ist bereits jetzt als einer der letzten großen, unverbauten Flüsse Europas bekannt", schloss er seinen Vortrag.


Hintergrundinformationen:

  • Die Veranstaltungen zum Schutz der Vjosa fanden im Hinblick auf den bevorstehenden Weltflusstag am 27. September statt.
  • Hier können Sie den Bericht der Wissenschaftler über die Bewertung der Umweltverträglichkeitsprüfung zum geplanten Wasserkraftwerk Kalivaç herunterladen.
  • Die Vjosa in Albanien ist einer der letzten großen unverbauten Flüsse in Europa außerhalb Russlands. Während die albanische Regierung Staudämme an dem Fluss bauen will - beginnend mit dem Kalivaç-Staudamm - besteht die alternative Vision darin, den ersten Wildfluss-Nationalpark Europas zu errichten.
  • Die KampagneRettet das blaue Herz Europas will die wertvollsten Flüsse der Balkan-Halbinsel vor einem Tsunami aus ca. 3.000 Staudammprojekten schützen. Die Kampagne wird von den NGOs Riverwatch und EuroNatur koordiniert und zusammen mit lokalen Partnerorganisationen durchgeführt.


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