Mega-Staudamm Skavica: Albanisches Gericht prüft Sondergesetz für US-Bauunternehmen Bechtel

++ Verfassungsbeschwerde von NGOs zur Verhandlung zugelassen ++ Erster Meilenstein im Kampf gegen einen der größten Stauseen Europas ++ Tausende von Menschen von Vertreibung bedroht ++ Vom Aussterben bedrohter Balkanluchs durch den Staudamm stark gefährdet ++

Schwarzer Drin, Albanien

Blick aus der Vogelperspektive auf einen der letzten frei fließenden Abschnitte des Schwarzen Drin in Albanien, der durch den Skavica-Staudamm überflutet werden würde.

© Amelie Huber/EuroNatur
Frauen aus dem Dibra-Tal bei der Landarbeit

Frauen aus dem Dibra-Tal bei der Landarbeit: Das Skavia-Projekt würde sie zwingen, ihr Dorf zu verlassen.

© Richard Burton

Radolfzell, Prag, Tirana. Naturschutz- und Menschenrechtsorganisationen haben einen ersten wichtigen Meilenstein im Kampf gegen das geplante 210-MW-Wasserkraftwerk Skavica in den albanischen Gemeinden Kukës und Dibër erreicht: Eine Verfassungsbeschwerde, die das Albanische Helsinki-Komitee und die Black Drin Association mit Unterstützung von EuroNatur und CEE Bankwatch Network eingereicht haben, wurde zur Verhandlung zugelassen In der Beschwerde wird unter anderem die Verletzung der verfassungsrechtlich geschützten Grundsätze der Rechtsgleichheit und der Wirtschaftsfreiheit bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gerügt.

Dieses Urteil ist ein wichtiger Schritt, da nur rund 15 Prozent aller beim albanischen Verfassungsgericht eingereichten Fälle letztendlich als zulässig betrachtet werden und nur selten Anträge von Nichtregierungsorganisationen darunter zu finden sind.

Der Auftrag für die vorbereitenden Arbeiten und die Projektdokumentation für den höchst umstrittenen Skavica-Staudamm wurde im Juli 2021 an den Bauriesen Bechtel vergeben, wohl ohne ein Ausschreibungsverfahren. Dies geschah nach der parlamentarischen Verabschiedung eines Sondergesetzes, in dem Bechtel ausdrücklich erwähnt wird.

„Ohne offene Ausschreibung und Wettbewerb birgt dieses Geschäft das Risiko möglicher Korruption und lässt Zweifel am Preis-Leistungs-Verhältnis des Projekts, sowie an der Aussagekraft der Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung aufkommen", befürchtet Andrey Ralev, Biodiversitäts-Campaigner bei CEE Bankwatch Network.

Abgesehen vom Mangel an Transparenz liegen immer noch keine offiziellen Informationen über den Bau und den Standort des Staudamms vor. Nach Angaben von KESH Albaniens staatlichem Energieversorger und Projektträger von Skavica, werden derzeit vier technische Szenarien geprüft. Das größte Szenario sieht einen 147 Meter hohen Damm und einen Stausee mit einem Fassungsvermögen von 2,32 Milliarden Kubikmetern vor, was ihn zu einem der größten von Menschenhand geschaffenen Stauseen Europas machen würde.

„Mit 41 Dörfern und mehr als 2.500 Häusern in der Gemeinde Dibër, die von dem Projekt bedroht sind, könnten die sozialen Auswirkungen des Skavica-Damms zu den schlimmsten gehören, die infolge eines Dammbaus in Europa des 21. Jahrhunderts je entstanden sind. Die Anwohner kämpfen seit Jahren gegen Skavica. Die große Mehrheit will den Staudamm nicht", sagt Majlinda Hoxha, Koordinatorin der Group of Rural Activists of Dibra.

Auch die ökologischen Folgen wären verheerend, insbesondere für den stark gefährdeten Balkanluchs. „Der Damm würde den einzigen Biokorridor zwischen Albanien und Nordmazedonien unterbrechen, in dem sich die beiden verbliebenen lebensfähigen Luchspopulationen kreuzen", sagt Dr. Amelie Huber, Projektleiterin Fließgewässerschutz bei EuroNatur. "Skavica würde auch den möglicherweise größten Auenwald Albaniens überfluten, was bedeutet, dass eine Vielzahl von Arten und Lebensräumen sowie eine große Kohlenstoffsenke verloren gehen würden. Diese Auswirkungen entkräften jedes Argument, dass Skavica eine grüne und klimafreundliche Energieentwicklung vorantreiben würde", zeigt sich Huber entsetzt von den Plänen.


Hintergrundinformationen:

  • Der Skavica-Damm würde den letzten frei fließenden Abschnitt des Schwarzen Drin in Albanien fluten, der im Ohrid-See in Nordmazedonien entspringt und in die Adria mündet. Die Pläne für das Projekt reichen bis in die 1960er Jahre zurück, als Skavica als Teil der Drin-Kaskade konzipiert wurde, die drei andere, bereits in Betrieb genommene große Wasserkraftwerke umfasst.
  • Die finanziellen Kosten für das Projekt sind um das Vierfache auf über eine Milliarde Euro gestiegen. Die Finanzierung hingegen ist noch nicht gesichert. Bechtel ist in der Region und weltweit für seine Beteiligung an verschiedenen erfolglosen und/oder überteuerten Projekten bekannt geworden, die oft ohne Ausschreibung vergeben wurden.
  • Der Skavica-Stausee würde einen Großteil der verarmten, aber geschichtsträchtigen Region Dibra überschwemmen, einem langgestreckten, fruchtbaren und landschaftlich reizvollen Tal, das von schneebedeckten Bergen umgeben ist. In den vergangenen Jahren hat sich die Region zu einem Zentrum für Ökotourismus und ökologischen Landbau entwickelt, der teilweise von der albanischen Regierung subventioniert wird.
  • Die Kampagne "Rettet das blaue Herz Europas" wird von den internationalen NGOs EuroNatur und Riverwatch koordiniert und gemeinsam mit Partnerorganisationen in den Balkanländern durchgeführt. Ziel der Kampagne ist der Schutz von Flüssen mit hohem Naturwert in den Balkanländern, die durch über 3.500 Wasserkraftprojekte bedroht sind. Die Kampagne geht unter anderem gegen umstrittene große Staudammprojekte vor, die unter dem Deckmantel der "grünen Energieerzeugung" stehen.

 

Rückfragen:
Anika Konsek, EuroNatur: anika.konsek(at)euronatur.org, Tel.: (0) 7732 9272 22
Andrey Ralev, CEE Bankwatch Network: andrey.ralev(at)bankwatch.org, Tel.: +35 9 8842 685 52
Majlinda Hoxha, Group of Rural Activists of Dibra/Black Drin Association: lindahoxha83(at)gmail.com, Tel.: +35 5674 8755 06

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