Sarantaporos-Wissenschaftswoche: Für den ersten grenzüberschreitenden Wildfluss-Nationalpark Europas

Mehr als 60 Wissenschaftlerinnen und Flussforscher aus neun Ländern haben das verborgene Leben des Sarantaporos erforscht. Der Sarantaporos wird als der „große Bruder" von Europas letztem frei fließenden Fluss bezeichnet, dem grenzüberschreitenden Aoos/Vjosa-Fluss in Griechenland und Albanien.

Fischforscher bei der Arbeit

Wissenschaftlerinnen und Forscher verschiedenster Disziplinen arbeiteten eine Woche lang gemeinsam am griechischen Sarantaporos. Ihre Erkenntnisse sollen helfen, den Fluss noch besser zu schützen.

© Aris Giannoukos
Wildfluss in Griechenland

Der Sarantaporos fließt noch frei durch die griechische Bergwelt des Pindos.

© A. Giannoukos/MedINA
Karte vom Einzugsgebiet des Aoos inkl. Schutzstatus

Das Einzugsgebiet des Aoos und dessen aktueller Schutzstatus

© MedINA
Aal im Kescher

„Der Europäische Aal ist stark bedroht, vor allem durch Flussbarrieren, wie z.B. Dämmen. Unsere Ergebnisse zeigten, dass der Sarantaporos Populationen dieser Art beherbergt. Der Schutz dieses einzigartigen Flussökosystems ist für die Erhaltung dieser ikonischen Art von entscheidender Bedeutung“, sagt Leonidas Vardakas, Ichthyologe vom Hellenischen Zentrum für Meeresforschung.

© Joshua D. Lim

Athen/Tirana/Radolfzell/Wien. Vom 28. Juni bis 5. Juli 2024 führte ein multidisziplinäres Team von Wissenschaftlern aus mehreren europäischen Ländern sowie den USA umfangreiche Feldforschungen am Sarantaporos, einem Nebenfluss des Aoos, durch. Dabei verfolgen die Flussforscherinnen ein gemeinsames Ziel: das gesamte Einzugsgebiet des Aoos/Vjosa-Flusses durch die Schaffung eines grenzüberschreitenden Wildfluss-Nationalparks unter einen gemeinsamen Schutzstatus zu stellen, der in Europa einzigartig wäre.

In der Gemeinde Konitsa untersuchten die Forscher mehr als 50 Flusskilometer nach Tierarten aller Klassen. Zudem erforschten sie physikalische, chemische und hydromorphologische Merkmale des Flusses. In den kommenden Monaten werden die Expertinnen und Experten ihre wertvollen Erkenntnisse auswerten und bis Ende des Jahres einen Abschlussbericht erstellen, der den Ministerien, den regionalen Behörden und den lokalen Gemeinschaften vorgelegt wird.

„Im Allgemeinen vergessen die Menschen, dass Flüsse nicht einfach nur Wasserflächen sind, sondern komplexe Netzwerke bilden. Nur sehr selten werden heute ganze Flusssysteme geschützt. Mit dem Aoos/Vjosa-System, einschließlich der Nebenflüsse, haben wir die einmalige Chance in Europa, ein ganzes Flussnetz zu retten, das ein Einzugsgebiet von etwa 7.000 km² entwässert", sagt Gabriel Singer, Fließgewässerökologe an der Universität Innsbruck.

Die neuen wissenschaftlichen Daten untermauern die kürzlich erfolgte Ausweisung des größten Teils des Einzugsgebiets des Sarantaporos als geschützte Landschaft durch das griechische Umweltministerium. Der Ministerialbeschluss, der wenige Tage vor Beginn der Wissenschaftswoche erlassen wurde, legt die Entwicklungsbedingungen und Einschränkungen für Aktivitäten innerhalb des Schutzgebiets fest und verbietet unter anderem den Bau von Staudämmen und Wasserkraftwerken, einschließlich Kleinwasserkraftwerken (SHP). Leider bedeutet diese positive Entwicklung nicht, dass der Aoos und seine Nebenflüsse vor der Bedrohung durch SHPs komplett verschont bleiben. Es sind bereits mehrere Wasserkraftprojekte außerhalb des kürzlich ausgewiesenen Schutzgebiets geplant; weitere befinden sich in einem fortgeschrittenen Genehmigungsstadium.

„Obwohl die neuen Vorschriften den Bau von ca. 15 Wasserkraftwerken im Einzugsgebiet des Sarantaporos ausschließen, könnten in seinen Ausläufern immer noch etwa 20 Projekte legal umgesetzt werden. Nur wenn das gesamte Aoos-Einzugsgebiet einen einheitlichen starken Schutzstatus erhält, sind die frei fließenden Gewässer vor dem Ausbau der Wasserkraft geschützt. Dieser Schritt ist dringend notwendig, um den Schutz des gesamten Aoos/Vjosa-Einzugsgebietes durch die Einrichtung des lang erwarteten grenzüberschreitenden Wildfluss-Nationalparks zu erreichen", sagt Dimitris Papageorgiou, lokaler Koordinator und Projektleiter von MedINA.

Der nächste Schritt besteht darin, den Schutzstatus des Gebiets zu einem Nationalpark aufzuwerten, indem die Grenzen des bereits bestehenden Nationalparks Nord-Pindos in Richtung der griechisch-albanischen Grenze erweitert werden. Das würde es ermöglichen, dieses Schutzgebiet mit dem benachbarten Vjosa-Wildfluss-Nationalpark zu verbinden, um den ersten grenzüberschreitenden Wildfluss-Nationalpark in Europa, Aoos/Vjosa, zu schaffen.


Hintergrundinformationen:

  • Die Sarantaporos-Wissenschaftswoche wurde vom Mediterranean Institute for Nature and Anthropos (MedINA) in Zusammenarbeit mit EuroNatur, Riveratch und EcoAlbania im Rahmen der Kampagne "Rettet das Blaue Herz Europas" mit Unterstützung der Gemeinde Konitsa und des Hellenic Centre for Marine Research (HCMR) organisiert.

  • Die Maßnahme wurde vom Prespa Ohrid Nature Trust (PONT) im Rahmen des Projekts "Ri-Connect - Aoos river as a transboundary ecological corridor", von Patagonia, der Austrian Development Agency über das Projekt "ESPID4Vjosa", der Manfred-Hermsen-Stiftung, EU LIFE und Wetlands International Europe finanziert.

  • Die Initiative zum Schutz des Aoos/Vjosa ist Teil der Kampagne "Rettet das Blaue Herz Europas", die von RiverWatch und EuroNatur organisiert wird. Ziel der Kampagne ist der Schutz von Flüssen mit hohem Naturwert auf dem Balkan, die durch mehr als 3.300 Wasserkraftprojekte bedroht sind. In Albanien ist der lokale Partner EcoAlbania, in Griechenland ist es MedINA. Bei unseren Bemühungen, das Aoos/Vjosa-Flusssystem als Nationalpark zu schützen, arbeiten wir mit dem Outdoor-Unternehmen Patagonia zusammen.

  • Die Kampagne "Rettet das Blaue Herz Europas" wird unter anderem von der Manfred-Hermsen-Stiftung unterstützt.


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