Natur im Schlussverkauf

Wie Albanien seine Naturschätze verschachert

Blick über die Narta-Lagune im Abendlicht.

Naturbelassene Küstenabschnitte wie hier auf der Halbinsel Zvërnec sind an der östlichen Adria Mangelware. Nun sollen auch sie zerstört werden.

© Annette Spangenberg

„Albanien zählt zu den weltweit am schnellsten wachsenden Reisezielen und verfügt über den am schnellsten expandierenden Flughafen Europas.“ In Anzug und Turnschuhen steht Albaniens Premierminister am 3. März in Berlin hinter dem Rednerpult und eröffnet die Pressekonferenz zur Internationalen Tourismusmesse ITB, deren Gastland in diesem Jahr Albanien ist. Edi Rama lässt keinen Zweifel daran: Der ehemalige Basketballprofi will sein Land zum Tourismus-Champion machen. Alles deutet darauf hin, dass er dabei keinerlei Rücksicht auf die Natur nimmt. 

Während Edi Rama im Scheinwerferlicht der ITB die Natur Albaniens als Touristenmagnet anpreist, stehen Annette Spangenberg und Leonard Sonten von EuroNatur mit Zydjon Vorpsi von PPNEA auf einem Hügel. Ihr Blick schweift über einen kilometerlangen Naturstrand an der albanischen Adria, vorbei an der Insel Sazan bis hinüber zur Narta-Lagune. Wilde Buchten, Marschland und Dünen soweit das Auge reicht. Das Rauschen von Brandung und Bäumen im Wind, ein paar Vogelrufe, ansonsten ist es ruhig. Tausende Flamingos fliegen vorbei, weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Obwohl die Luft frühlingshaft ist, fröstelt es die Drei als ihr Blick weiterwandert. Das Bild der perfekten Idylle zerplatzt. Am Horizont wird in rasantem Tempo daran gearbeitet, Edi Ramas Vision von einem Albanien zu verwirklichen, das Luxustouristen aus aller Welt empfängt. Unweit der Narta-Lagune ist bereits das Terminal der Flughafenbaustelle Vlora zu sehen, ein futuristisches Gebäude, über dem Staubwolken hängen. Sie lassen erahnen, mit welchem Hochdruck LKWs dort riesige Mengen an Flussschotter aus der Vjosa hin und her bewegen. Mehr als drei Kilometer soll die Rollbahn lang werden, ausgelegt für Transatlantikjets. 

Monsterpläne und schmutzige Deals

Annette Spangenberg und Zydjon Vorpsi laufen auf einem Damm durch die Narta-Lagune.

Ein eingespieltes Team: Annette Spangenberg und Zydjon Vorpsi begutachten die Lage auf der Halbinsel Zvërnec.

© Leonard Sonten

Wenn es nach Edi Rama geht, soll der internationale Flughafen Vlora noch in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen. „Das Flughafenprojekt macht das Gebiet für Investoren attraktiv und droht so zum Einfallstor für eine dramatische Naturzerstörung zu werden“, sagt Leonard Sonten, Projektleiter im Bereich Fließgewässerschutz bei EuroNatur. Die ersten internationalen Investoren stehen längst parat, schwerwiegende Deals sind bereits abgeschlossen, die Methoden höchst fragwürdig. Im Februar 2024 änderte Albanien das Naturschutzgesetz des Landes dahingehend, dass unter anderem der Bau von Hotels in Naturschutzgebieten erlaubt wurde, sofern sie mindestens fünf Sterne haben. Nur wenige Tage später veröffentlichte Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner seine Pläne, das unbewohnte Eiland Sazan in ein Luxusresort umzuwandeln. Grünes Licht für das Projekt mitten im Meeresschutzgebiet hatte er von Edi Rama vermutlich schon vorher bekommen, offiziell wurde Jared Kushner Ende 2024 der Status eines strategischen Investors zugebilligt. Dieser ist zehn Jahre gültig und garantiert unter anderem Vorteile wie beschleunigte Verwaltungs- oder Genehmigungsverfahren. Für die Halbinsel Zvërnec wurde dieser Status bislang noch nicht gewährt, doch wir vermuten, dass auch dies bald geschehen wird. „Auf der Halbinsel Zvërnec sollen Ferienhäuser und Wohngebäude mit Tausenden Zimmern gebaut werden. In Spitzenzeiten müssen wir dort mit etwa 30.000 Menschen rechnen“, sagt Zydjon Vorpsi. „Eine ganz neue Stadt soll entstehen, mit all dem Lärm, der Lichtverschmutzung, dem Müll und den Straßen, die damit einhergehen.“

  • Die Insel Sazan

    schöner Strand in Albanien
    © Hotolmo22; Wiki Commons

    Sazan war früher ein Flottenstützpunkt. Aufgrund der militärischen Nutzung durften sich dort lange Zeit nur Soldaten aufhalten; die Natur konnte sich weitestgehend ungestört entwickeln. Das Meeresökosystem um die Insel steht unter nationalem und internationalem Naturschutz. Gemeinsam mit dem naturbelassenen Strandabschnitt bei Zvërnec und dem nahe gelegenen Vjosa-Delta befindet sich hier einer der letzten unverbauten Küstenabschnitte Albaniens. Die Halbinsel Zvërnec ist Teil des Schutzgebietes Vjosa-Narta und der Besuch der Insel Sazan war bis dato nur Tagestouristen erlaubt. 

Die Küste wird nicht wiederzuerkennen sein

Alte Militäranlagen auf der Insel Sazan.

Die Reste des Flottenstützpunktes auf der Insel Sazan.

© Xhemal Xherri

Auf dem Rückweg kommen Annette, Leonard und Zydjon drei Anwohnerinnen aus dem nächstgelegenen Dorf Zvërnec entgegen. Als Annette Spangenberg das erste Mal hier war, hatte es anstelle der geteerten Straße nur eine Schotterpiste gegeben. Die Erschließung des Areals hat auch hier bereits begonnen. Auf den ersten Blick sind die Investitionen in Infrastruktur und den Ausbau des Tourismus für die Lokalbevölkerung ein Gewinn. Im Gespräch mit den Frauen wird schnell klar, wie Edi Ramas Propagandamaschine wirkt. Die Flamingos sind uns egal, solange Kushner uns Geld gibt, ist ihre Haltung. „Edi Rama schürt bei den Menschen Erwartungen, die niemals erfüllt werden“, ist Annette Spangenberg sicher. „Wenn ein Investor kommt und sagt, ich kaufe dir dein Grundstück für 10.000 Dollar ab, ist das erstmal eine große Summe, zumal das monatliche Durchschnittseinkommen in Albanien bei nicht einmal 600 Euro liegt. In Wahrheit geht es aber um Glanz und Glamour für einige wenige, die lokale Bevölkerung verliert stattdessen alles, was ihnen eine echte Perspektive geben könnte, ihre Natur und ihr Land“, so Spangenberg. Leonard Sonten teilt diese Einschätzung: „Angesichts der immensen Naturzerstörung, die hier geplant ist, sollten die Menschen aufstehen und sich wehren, anstatt sich von den Versprechungen der Regierung blenden zu lassen. Doch der Widerstand ist bisher leider verhalten. Hier geht es nicht nur um den Bau von ein paar Hotels, sondern der gesamte Küstenabschnitt wird nicht wiederzuerkennen sein.“ 

Seit vielen Jahren pflegen wir eine Beziehung, die von gegenseitigem Vertrauen geprägt ist. PPNEA und Zydjon Vorpsi haben jede Unterstützung verdient!

Annette Spangenberg
Annette Spangenberg, Programmleiterin Flussschutz bei EuroNatur

Wo die Bagger wüten

Im Stacheldrahtzaun um die Baustelle des Vlora-Flughafens hat ein Vogel sein Nest gebaut.

Der Bau des Flughafens Vlora wird mit Hochdruck vorangetrieben. Als wollte die Natur ihre Widerstandskraft beweisen das Nest eines Kuckuckshähers im Bauzaun.

© Zydjon Vorpsi

Als die Sonne hinter der Insel Sazan untergeht, machen sich Annette, Leonard und Zydjon auf zur Flughafenbaustelle. Der Kontrast der Eindrücke könnte nicht schärfer sein. Während das Piepen der LKW-Alarmtöne durch Mark und Bein geht und die Scheinwerfer die Dunkelheit zerschneiden, quakt ein Frosch aus einer Pfütze in die Nacht. Das Tier sucht in einer Reifenspur Zuflucht, während um es herum die Bagger wüten und seinen Lebensraum Hub um Hub zerstören. Eine Eule huscht über den Stacheldrahtzaun auf das Flughafengelände und in der Ferne heult ein Goldschakal. „Die Natur versucht, ihren Raum zurückzuerobern“, sagt Leonard Sonten. Neben ihm steht Annette Spangenberg und ist schockiert über den Baufortschritt seit ihrem letzten Besuch vor etwas mehr als einem Jahr. Doch Aufgeben kommt nicht in Frage: „Ich bin überzeugter und entschlossener denn je, PPNEA zur Seite zu stehen - PPNEA als Organisation und Zydjon Vorpsi als Person haben alle Unterstützung verdient, die wir ihnen geben können“, sagt sie. 
 

Es gibt noch Hoffnung!

Gemeinsam mit unseren albanischen Partnern konnten wir Kräfte auf EU-Ebene mobilisieren und ermutigende Entwicklungen anstoßen:

  • Bonner Konvention (CMS, Abkommen zum Schutz wandernder Tierarten): Im März forderte der Ständige Ausschuss die albanische Regierung unter anderem auf, eine umfassende ökologische Bewertung der Auswirkungen auf den Krauskopfpelikan sowie andere geschützte Arten durchzuführen. Bis dahin müssen die Bauarbeiten – so die Forderung – ruhen. Aufgrund der Ergebnisse soll die albanische Regierung dann neu beurteilen, ob der Bau fortgesetzt werden kann. Es ist das erste Mal, dass der sogenannte Überprüfungsmechanismus der CMS umgesetzt wurde. Dies verdeutlicht die immense Gefahr, die vor allem für Zugvögel von dem Flughafen ausgehen würde.
  • Im April zog sich die Munich Airport International (MAI), eine Tochtergesellschaft der Flughafen München GmbH, aus ihrer „Beratungstätigkeit“ für das Flughafenprojekt Vlora zurück. Gemeinsam mit unseren albanischen Partnern und dem BUND Naturschutz hatte EuroNatur die Verstrickungen der MAI in das umstrittene Flughafenprojekt unter anderem in den Medien problematisiert. Edi Rama versuchte die Seriosität des Projektes bis dato durch die Aussage zu rechtfertigen, dass der Münchner Flughafen den Vlora Flughafen betreiben werde.
  • Das Europäische Parlament, die Europäische Kommission und Vertretende der Berner Konvention (das wichtigste internationale Naturschutzabkommen Europas) kritisieren den Bau des Flughafens Vlora ebenfalls scharf und fordern die albanische Regierung auf, dieses umweltschädliche Projekt zu stoppen.
  • Der EU-Beitrittsprozess Albaniens bietet einen vielversprechenden Hebel. EuroNatur setzt sich dafür ein, dass der effektive Schutz des Vjosa-Narta-Ökosystems zur Bedingung für den EU-Beitritt Albaniens wird. 

Katharina Grund

Blick über die Insel Sazan. Man sieht wie die Natur ehemalige Gebäude und Terassen zurück erobert.

Die Natur holt sich die Reste des Flottenstützpunktes auf der Insel Sazan zurück.

© Xhemal Xherri
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