Wenn Markus Dressnandt, stellvertretender Leiter der Kommunikationsabteilung bei EuroNatur, pfeifend aus dem Besprechungsraum in der Radolfzeller Geschäftsstelle kommt, hatte er meist einen Termin im Rahmen des Mentoring-Programms (siehe Infobubble). „Gleich nach der ersten Stunde habe ich mich schon auf die zweite gefreut. Die Atmosphäre bei MENC ist positiv, konstruktiv, empathisch und verständnisvoll“, sagt er. „Vieles, was zu unserer inneren Entwicklung beiträgt, braucht den Austausch mit Gleichgesinnten, die uns fördern, fordern, inspirieren oder einfach nur verstehen. Bei MENC finde ich all das.“ Markus Dressnandt hat sich auf das Abenteuer Mentoring eingelassen, zusammen mit insgesamt 25 weiteren Menschen, die im Bereich Naturschutz wirken – 13 von ihnen sind, wie er, als Mentoren dabei, und weitere 13 als Mentees. Sie kommen aus 14 verschiedenen Ländern rund um das Mittelmeer und darüber hinaus. „Wir haben noch mehr Teilnehmende als im Vorjahr für unser Mentoring-Programm und das, obwohl der größte Teil davon in der Freizeit stattfindet. Das zeigt, wie groß der Bedarf ist, und, dass wir offene Türen einrennen!“, freut sich Leonie Kraut, Leiterin Verwaltung und Personal bei EuroNatur, die MENC mitentwickelt hat und seither koordiniert. „Im Naturschutz brauchen wir nichts dringender als starke Persönlichkeiten, die in sich ruhen, offen sind, andere begeistern können und sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Mit dem Mentoring-Programm wollen wir Akteurinnen und Akteure vor allem in ihrem persönlichen Wachstum unterstützen“, sagt sie.
Was ist MENC?
MENC (Mentoring for European Nature Conservation) ist ein Mentoring-Programm, das von EuroNatur organisiert und mit Unterstützung der Expertinnen und Experten von The Human Edge durchgeführt wird. Durch individuelle Mentoring-Beziehungen sollen vor allem junge Menschen, die im Naturschutz tätig sind, in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützt werden. MENC bietet eine Plattform, um Wissen zu teilen und Netzwerke aufzubauen und trägt dazu bei, den europäischen Naturschutz nachhaltig zu stärken. Im Jahr 2025 ging MENC bereits in die dritte Runde. Mehr unter www.euronatur.org/mentoring.
Kurz hatte Markus Dressnandt gezögert, bevor er sich für die Teilnahme an MENC bewarb. Er sah den zusätzlichen Zeitaufwand, ohne, dass am Ende quantitativ messbare Ergebnisse zu erwarten wären. Warum er sich doch für MENC entschied? Genau aus diesem Grund: Soziale Kompetenzen und zwischenmenschliche Fähigkeiten weiterzuentwickeln, ist ihm inzwischen ebenso wichtig, wie Weiterbildungen auf fachlicher Ebene. „Der Prozess führt zu mehr Orientierung und Klarheit auf beiden Seiten, sowohl bei uns Mentoren oder Mentorinnen als auch bei den Mentees. Wer sich selbst reflektiert und von seinem Gegenüber konstruktive Rückmeldung bekommt, hat die Chance, viel über sich zu erfahren“, beschreibt er es.
Bereits die Trainingsworkshops für die Mentoren durch die Expertinnen und Experten von The Human Edge und das erste Kennenlerntreffen mit den Mentees hatten es in sich, auch wenn sie online stattfanden. Mit tief gehenden Impulsfragen forderten die Mentorinnen und Mentoren ihre Gegenüber dazu heraus, ehrlich mit sich zu sein. „Wovon habe ich als Kind geträumt und was ist mein Traum für die Zukunft?“ waren nur zwei davon. Bereits nach den ersten Treffen erhielt Leonie Kraut immer wieder die Rückmeldung: „Egal, was jetzt noch kommt, MENC hat mich schon so viel weitergebracht.“ Mentoringpaare aus Menschen zu bilden, die zueinander passen, empfindet sie jedes Mal wieder als die größte Herausforderung, aber auch als die größte Freude, wenn es wieder geklappt hat. „Hier spielt das Bauchgefühl eine entscheidende Rolle. Wie gut Mentor und Mentee wirklich harmoniert haben, wird sich am Ende der gemeinsamen Reise zeigen, frei nach dem Motto von MENC: Vertraue dem Prozess!“
Das A und O ist es für Leonie Kraut herauszufinden, was die Teilnehmenden wirklich brauchen. „Um so viel wie möglich mit den Menschen zu sprechen, habe ich selbst an allen Trainings teilgenommen.“ Was ihr dabei auffallend oft begegnete, waren Sorgen und Probleme, die sich aus den Herausforderungen des mobilen Arbeitens ergeben. „Seit Corona hat sich viel verändert. Wenn es vorwiegend Online-Treffen gibt, ist es schwieriger, die eigene Rolle in Projektteams zu finden und Verbindungen zu Kolleginnen oder Kollegen aufzubauen. Auch die Selbstorganisation ist nichts, das jeder und jedem in den Schoß fällt“, berichtet sie. Wie schaffe ich es, mich abzugrenzen, mir Pausen zu gönnen, wenn ich von zu Hause arbeite und die Grenzen zwischen Privatleben und Beruf verschwimmen? Solche und ähnliche Fragen tauchten immer wieder auf.
Im beruflichen Kontext fokussieren wir uns oft auf rein fachliche Inhalte. Gerade in der Naturschutzszene werden Selbstlosigkeit und der volle Einsatz für die Sache großgeschrieben. Da geschieht es schnell, dass wir uns in dem verlieren, was wir im Außen erreichen wollen. Aber die persönliche Entwicklung darf nicht zu kurz kommen.
Leonie Kraut, Leiterin Personal und Verwaltung bei EuroNatur, Koordinatorin des Mentoring-Programms MENC
Als besonders verbindend empfindet Markus Dressnandt die Gemeinschaft aus Menschen, die wissen, was es bedeutet, sich für den Naturschutz einzusetzen. „Viele kennen es, als ,Antis‘ wahrgenommen zu werden und wenig Verbündete zu haben. Bei MENC entsteht genau das gegenteilige Gefühl: Wir sind nicht allein und wir stärken uns gegenseitig.“ Mit seinem Mentee trifft sich Markus Dressnandt in der Anfangsphase einmal pro Woche, vor allem, um ihm aktiv zuzuhören. Bei MENC geht es – anders als beim Coaching – nicht darum, dass der Mentor dem Mentee Lösungen für Probleme vorgibt und Ratschläge erteilt, sondern darum, dass der Mentee für sich selbst Verantwortung übernimmt und über geschickte Fragen des Mentors eigene Antworten ins Bewusstsein gelangen. „Die Kunst des empathischen Zuhörens in all seinen Nuancen zu erlernen, war ein Aha-Erlebnis. Hier habe ich auch als Mentor ein großes Wachstumspotential für mich entdeckt. Dieses Zuhören, ohne zu urteilen oder das Gesagte sofort in Schubladen einzuordnen, sondern es erst einmal stehen zu lassen, öffnet neue Räume der Begegnung.“ Zwischen den Zeilen zu lesen und die darunter liegenden Bedürfnisse des Gegenübers zu erkennen, hilft Markus Dressnandt mittlerweile nicht nur als Mentor bei MENC. „Ich profitiere in meiner Rolle als Führungskraft bei EuroNatur, aber das Erlernte bereichert längst auch meine privaten Beziehungen. Dazu gehört es, konstruktives Feedback geben zu können, das mein Gegenüber nutzen kann, um zu wachsen – auch, wenn es im ersten Moment nicht schmeichelhaft ist, weil es wunde Punkte berührt. Letztlich verändern diese Fertigkeiten auch den Umgang mit mir selbst. Ich lerne, mir verständnisvoller zu begegnen und meine Ziele oder Bedürfnisse klarer zu formulieren“, reflektiert Markus Dressnandt die positiven Veränderungen, die MENC bereits bei ihm angestoßen hat.
Im Rahmen von MENC fühle ich mich anerkannt mit all meinen Ecken und Kanten. Diesen geschützten Raum empfinde ich als emotional stärkend. Er hilft mir, mich nicht von Rückschlägen oder Kleinigkeiten von meinem Weg abbringen zu lassen.
Markus Dressnandt, stellvertretender Leiter Kommunikation bei EuroNatur, Mentor bei MENC
Lorena: Von der Mentee zur Mentorin
Auf diesen intensiven Weg der Persönlichkeitsentwicklung hat sich vor etwas mehr als einem Jahr auch Lorena Pyze Xhafaj begeben. Als Quereinsteigerin im Naturschutz war sie bei der albanischen EuroNatur-Partnerorganisation PPNEA damals sehr gefordert. Obwohl sie sofort ein starkes Gefühl der Bestimmung und Zugehörigkeit verspürte, war es anfangs für sie eine Herausforderung, die Komplexität ihrer neuen Rolle und des Bereichs Naturschutz zu verstehen. Als Mentee bei MENC konzentrierte sie sich darauf, das Selbstvertrauen und die Widerstandsfähigkeit aufzubauen, die sie brauchte, um sich voll und ganz in ihre Position einzufinden. „Zu sehen, wie sich Lorena seit dem ersten Interview für die Bewerbung bei MENC entwickelt hat, ist so schön. Wir haben eine gefestigte Persönlichkeit vor uns, selbstsicher und emotional gestärkt. Wir haben Lorena nicht umsonst ermutigt, in der neuen Runde als Mentorin dabei zu sein.“ Sie selbst sagt: „Als ich MENC als Mentee beitrat, wurde das Programm zu einer starken Inspirationsquelle, die meine Verbindung zu Gleichgesinnten stärkte und vertiefte. Es förderte mein berufliches und persönliches Wachstum und stärkte das Gefühl der Zugehörigkeit, das ich bereits bei PPNEA gefunden hatte. Ich pflegte engere Beziehungen und entwickelte mehr Selbstvertrauen beim Austausch von Ideen und nahm an Diskussionen aktiver teil. Das Programm hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, innezuhalten, zu reflektieren und Prioritäten zu setzen - eine wichtige Fähigkeit, um die Anforderungen eines schnelllebigen und dynamischen Umfelds zu bewältigen.“
Manchmal erfordert Fortschritt erst einmal ein Innehalten, eine Neubewertung und dann eine Rückkehr mit neuer Kraft und neuem Ziel. Als Mentorin habe ich die Möglichkeit, etwas zurückzugeben, indem ich andere darin unterstütze, ähnliche transformative Erfahrungen zu machen, wie ich sie selbst als Mentee erleben durfte.
Lorena Pyze Xhafaj, Kommunikations- und PR-Managerin bei PPNEA, ehemalige Mentee, jetzt Mentorin bei MENC
„MENC, ein Meilenstein in meiner Entwicklung“
Lorena hat sich zu einer erfahrenen Kommunikationsexpertin entwickelt, welche die Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit von PPNEA mit großer Klarheit leitet. Ihre Erfahrung aus dem Mentorin-Programm hilft ihr unter anderem dabei, nationale und internationale Partnerschaften mit anderen Organisationen zu stärken, um wirkungsvolle Aktionen für den Naturschutz auf die Beine zu stellen. „Die Auswahl als Mentorin im MENC-Programm fühlt sich wie ein Meilenstein in meiner beruflichen und persönlichen Entwicklung an. Sie spiegelt die Reise wider, die ich unternommen, die Erkenntnisse, die ich gewonnen, und die wertvollen Verbindungen, die ich auf diesem Weg geknüpft habe“, sagt Lorena. Wenn Leonie Kraut sich etwas für das Mentoring-Programm wünschen könnte, dann wäre es, dass „wir die Finanzierung für viele weitere Runden sichern können und das Thema Mentoring in den Augen größerer Organisationen und Sponsoren immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die Chancen, die in der persönlichen Entwicklung stecken, sind es wert, in sie zu investieren.“