1 Jahr Vjosa-Nationalpark - Ein Grund zum Feiern?

Es war ein großer Erfolg für den Naturschutz: Am 15. März 2023 wurde in Albanien der Vjosa Nationalpark gegründet, Europas erstes Wildfluss-Schutzgebiet. Dafür haben wir gemeinsam über zehn Jahre gekämpft. Jetzt gilt es sicher zu stellen, dass der Vjosa Nationalpark kein Papiertiger wird.

Massentourismus statt Naturschutz

Bagger bei den Bauarbeiten am Himara Water Extraction Project an der Shushica

Die Bagger sind bereits angerückt: Bauarbeiten am Himara Water Extraction Project an der Shushica

© Ulrich Eichelmann

Es ist eine Achterbahn der Gefühle, die wir seit einem Jahr durchmachen. Vor genau zwölf Monaten haben wir mit großer Freude verkündet, dass der albanische Wildfluss Vjosa zum Nationalpark erklärt wurde. Leider gibt es mittlerweile Besorgnis erregende Entwicklungen. Die albanische Regierung plant nicht nur den Bau eines internationalen Flughafens an der Vjosa-Mündung, gegen den wir seit Monaten vorgehen. Mittlerweile gibt es auch noch Pläne, die Shushica umzuleiten, einen ökologisch wertvollen Nebenfluss der Vjosa, der bereits Teil des Nationalparks ist.

„Wer eins und eins zusammenzählt, sieht den direkten Zusammenhang zwischen beiden Projekten. Die Lage ist höchst brisant. Die albanische Regierung will offensichtlich den Massentourismus an der Küste weiter ausbauen. Der Flughafen bringt die Touristen, die dann mit dem Wasser versorgt werden, das aus der Shushica abgeleitet wird. Die Vision des Vjosa Nationalparks ist akut in Gefahr! Umso beschämender, dass die Ableitung der Shushica mit deutschen Steuergeldern finanziert werden soll“, sagt Annette Spangenberg, Leiterin Naturschutz bei EuroNatur.

  • Shushica: Nur auf dem Papier geschützt

    Wissenschaftler sammeln Daten am Nebenfluss der Vjosa

    Wissenschaftlerinnen und Flussforscher erkunden die nahezu unerforschte Shushica (Juni 2021).

    © Nick St. Oegger

    Die albanische Regierung will den Fluss Shushica an der Quelle anzapfen, um das Wasser an die Adriaküste zu leiten und dort den Tourismus zu fördern. Durch diesen Eingriff dürfte die Shushica im Sommer komplett austrocknen. Dies hat nicht nur schwerwiegende Folgen für die Artenvielfalt, sondern auch für die lokale Bevölkerung. Zudem droht die Shushica ihren Nationalparkstatus zu verlieren. Dennoch wurde das Projekt genehmigt – ohne eine sachgerechte Umweltverträglichkeitsprüfung. Die betroffenen Menschen wurden nicht informiert, geschweige denn eingebunden. Sie erfuhren erst von dem Vorhaben als die ersten Bagger angerückt waren. Die Zerstörung der Shushica wird mit Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau finanziert, einer deutschen Förderbank. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um das Schlimmste zu verhindern: Die Bauarbeiten sind in vollem Gange, um schon im kommenden Sommer Wasser ableiten zu können. Die Arbeiten sollen im August 2024 abgeschlossen sein.

Wir sind unbestechlich!

Erneut stehen wir vor einer großen Herausforderung in unserer langjährigen Arbeit für den Schutz des Wildflusses Vjosa. Wir werden nicht zulassen, dass der Nationalpark ad absurdum geführt wird! „Die albanische Regierung hat vermutlich angenommen, dass wir im Gegenzug zur Ausweisung des Vjosa Nationalparks die Augen vor naturzerstörerischen Projekten verschließen, aber nicht mit uns. Wir werden nicht aufgeben, ehe die Vjosa und ihre Nebenflüsse wirklich sicher sind!“, sagt Annette Spangenberg.

Es besteht die Gefahr, dass die Wasserumleitung an der Shushica zu einem Präzedenzfall wird. Dieser Eingriff schadet der Vision des Vjosa Wildfluss-Nationalparks und wird nicht wieder gut zu machende Auswirkungen auf seine Naturschutzwerte haben.

Geschäftsführer EcoAlbania Olsi Nika, EcoAlbania
Beim Protest von Bürgermeistern und Anwohnerinnen des Shushica-Tals stehen Menschen mit albanischen Fahnen und Megafonen auf einer Brücke.

Protest von Bürgermeistern und Anwohnerinnen des Shushica-Tals am 24. Februar 2023

© Joshua David Lim
Ein Mann spricht in ein Megafon beim Protest gegen die Bauarbeiten an der Shushica.

Viele der Betroffenen sind wütend, sie fürchten um ihre Zukunft an den Ufern der Shushica.

© Adrian Guri

Wie ein Baum ohne Wurzeln

Wie die Vjosa, ist auch die Shushica Heimat vieler seltener Tier- und Pflanzenarten, von denen einige der Wissenschaft bis dato unbekannt waren. Ihr Erhalt ist von globaler Bedeutung für den Schutz der Biodiversität. „Wenn man die Nebenflüsse zerstört, wird das unvermeidbar auch die Vjosa zerstören – so wie ein Baum schließlich stirbt, wenn man ihm alle Wurzeln abschneidet“, betonte Professor Fritz Schiemer von Universität Wien gegenüber den Medien. Gemeinsam mit vielen anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern streitet er seit Jahren für einen Vjosa Nationalpark, der diesen Namen verdient.

Die Umleitung der Shushica gefährdet außerdem die Existenzgrundlage von 30 Dörfern, die von Landwirtschaft und Viehzucht abhängig sind. Die lokale Bevölkerung protestiert seit Monaten und hat gemeinsam mit unserer Partnerorganisation EcoAlbania bereits Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht. Doch die Stimmen dieser Menschen werden bislang nicht gehört. Die Bauarbeiten gehen einfach weiter.

Protest für die Shushica

Menschen demonstrieren gegen Himara-Projekt
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